Bild nicht mehr verfügbar.

Eine von vielen Bluttaten: Eine Frau wurde am 20. Juni in Wien durch mehrere Stiche auf offener Straße getötet.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Nach der tödlichen Vergewaltigung einer Gmundnerin in ihrem Garten ergab die Obduktion, dass sie ihren schweren Kopfverletzungen erlegen ist. Die ErmittlerInnen gehen davon aus, dass der Täter die Frau vergewaltigte und ihr dann die tödlichen Schläge versetzte. Geschehen im Juli. Einige Kilometer östlich und nur wenige Tage später: Eine Frau bekommt von ihrem Ehemann ein Küchenmesser in die Halsschlagader gerammt – sie stirbt trotz Notoperation.

Diese beiden Fälle stellen keine Einzelschicksale dar, wenn sie auch die Spitze eines gewaltigen Eisbergs darstellen – denn wagt man einen Blick zurück auf die vergangenen Monate, ließe sich diese Aufzählung sehr lange fortführen. Allein die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie brachte im Jahr 2012 fünf Morde zur Anzeige. Die Palette an Gewalttaten – zusammengefasst im vor wenigen Tagen veröffentlichten Jahresbericht – reicht von Körperverletzung, gefährlicher Drohung, schwerer Nötigung, beharrlichen Bedrohungen, Vergewaltigungen bis hin zur Freiheitsentziehung.

Spitze des Eisbergs ist Wien

Gab es im Jahr 2002 noch 1.469 Wegweisungen und Betretungsverbote, waren es im Jahr 2012 3.246. Seit einigen Jahren liegen die Wegweisungen in Wien über 3.100. Ob dies an einer Zunahme der Gewalt liegt, wisse man nicht, erklärt Barbara Ille gegenüber dieStandard.at. Die Dunkelziffer sei eben die ewige Unbekannte. Sicher sei jedoch, dass das Gewaltschutzgesetz wirke: Das Bewusstsein der Bevölkerung habe sich geändert. Auch dass es Opferschutzeinrichtungen gibt, sei bei den Menschen angekommen. NachbarInnen oder PassantInnen schauen bei Gewalt nicht mehr weg, die Exekutive ist auf Gewalt in der Familie ebenso geschult, wie das Personal in öffentlichen Spitälern.

Dieses Bewusstsein und Wissen scheint in der Bundeshauptstadt auch am ausgeprägtesten zu sein: Im Bundesländervergleich liegt Wien mit 18,7 Wegweisungen pro 10.000 EinwohnerInnen an der Spitze - Schlusslicht ist das Burgenland mit lediglich 5,6. Österreichweit wurden 2012 insgesamt 8.063 Wegweisungen respektive Betretungsverbote ausgesprochen, 15.800 Opfer familiärer Gewalt wurden von den Gewaltschutzzentren und den Interventionsstellen in 82.288 Beratungsgesprächen betreut. 88 Prozent der unterstützen KlientInnen waren Frauen und Mädchen, 91 Prozent der Gefährder waren Männer - Ex-Partner und Partner stellen dabei die größte Gruppe dar. Insgesamt wurden so 13.325 Kinder zu Opfer und ZeugInnen von häuslicher Gewalt.

Männliche Opfer – männliche Täter

Männliche Opfer häuslicher Gewalt sind eine Minderheit – die Interventionsstellen legen aber auch hier interessante Auswertungen vor: 53 Prozent aller von Gewalt betroffenen Männer, wurden Opfer eines Mannes: Söhne, Väter, Brüder, Lebensgefährten, Freunde oder ehemalige Partner und Ex-Freunde waren hier die Täter.

Um das nach wie vor weit verbreitete Gewalt-Phänomen in den Griff zu bekommen, setzen die Interventionsstellen seit mehr als zwei Jahren auf den Ausbau der opferschutzorientierten Täterarbeit. Der Gründungsanlass war die prekäre finanzielle Situation des Wiener Anti-Gewalt-Programms, das aufgrund fehlender Förderungen kurz vor der Schließung stand. Der Engpass war durch den Rückzug des ÖVP-geführten Innenministeriums entstanden. Seit 2011 wird die Täterarbeit interdisziplinär weitergeführt – verschiedene Ministerien, Neustart, die Männerberatung Wien und die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie sitzen seither Seite an Seite, um das Problem an der Wurzel zu packen.

Internationale Verpflichtungen

Aber auch europaweit soll die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt fokussiert werden: In den vergangenen Monaten wurde in Österreich die Ratifizierung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (CAHVIO) vorbereitet. Österreich hat diese sogenannte Istanbul-Konvention Anfang Juli bereits ratifiziert - 2014 sollen noch weitere zehn Staaten folgen, damit sie in Kraft treten kann.

Wesentlich bei dieser Konvention ist die Überwachung und Evaluation von Maßnahmen im Bereich von Gewalt gegen Frauen und Gewalt in der Familie. Neben dem internationalen Frauenrechtsübereinkommen CEDAW, das Österreich ebenso ratifizierte und dadurch auffordert, einen nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen zu erstellen, bestehen in den kommenden Jahren also gleich zwei internationale Verpflichtungen, um Frauen ein gewaltfreies Dasein zu ermöglichen. (eks, dieStandard.at, 4.8.2013)