Damit endlich auch Alpenbewohner ein wenig Hawaii-Feeling auskosten können, wurden in einem Ötztaler Freizeitpark die Wellen des Inns fassoniert.

Wirklich einfacher als auf dem Meer, sagt Gerry Schlegel, sei die Sache nicht. Obwohl so eine Welle im Fluss einen gewaltigen Vorteil habe: Sie ist immer da. Man muss sie nicht erst entdecken, zu ihr rauspaddeln und sie dann auch noch erwischen, um tatsächlich auf ihr surfen zu können. "Anfänger brauchen allein eine Woche, um zu jenen Wellen zu gelangen, die sich für einen Ritt eignen", erklärt er.

Foto: Area 47 / Rudi Wyhlidal

Und dennoch, bedauert er mit einem schelmischen Seufzer, sei es keineswegs einfacher, sich in einem Fluss mit dem Surfbrett zu bewegen: "Das Balancehalten ist hier ungleich schwieriger. Eine Welle im Meer schiebt dich vorwärts - das hilft. Im Fluss hingegen ist das so, als würde man mit dem Fahrrad stillstehen und dabei nicht umfallen wollen."

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Freilich: Auch dieses Problem ist lösbar. Das weiß niemand besser als Schlegel selbst. Schließlich ist der 33-Jährige derzeit Europas drittbester Riversurfer. 2011 wurde er sogar Europameister im Zureiten von stehenden Wellen. Aber nicht erst seit damals gilt der IT-Techniker aus München als fixe Größe in der Szene der Dauerwellen-Surfer. Schlegel ist ein gern gebuchter Profi bei Süßwasser-Surfevents und gibt auch Unterricht. Leben könne er aber nicht von seiner Passion: "Bayern ist ja nicht Hawaii."

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Zumindest noch nicht. Denn Wellenreiten boomt in vielen Flüssen der Alpen, und die Szene wächst. So konnte man Schlegel, der seit 1992 mit dem Surfvirus infiziert ist, Mitte Juli auch in der sogenannten Area 47 bei einem Trainingslager als Coach erleben. Die Area ist ein Freizeitpark, der unter der Federführung der Ötztaler Bergbahnen am Zusammenfluss von Ötztaler Ache und Inn 2010 eröffnet wurde. Das Angebot reicht vom schnöden Badeteich mit Wasserrutschen über Kletterparcours und Eventhalle bis hin zu Raftingtouren. Und seit diesem Sommer gibt es in unmittelbarer Nähe - genauer gesagt an der Silzer Innbrücke - eben auch eine stehende Flusswelle.

Foto: Area 47

Zum Reiten präparierte Naturwelle

Obwohl der Untergrund zum Surfen im Inn mit Baggern und 45 Lkw-Ladungen Steinen vorbereitet werden musste, betont Hans Neuner, Geschäftsführer der Area 47, dass es sich um eine natürliche Welle handle: Wo der Outdoor-Profi dem Fluss eine nunmehr bei fast jedem Wasserstand befahrbare Dauerwelle verpassen ließ, konnte man nämlich schon früher auf der Strömung reiten - jetzt geht das halt noch deutlich spektakulärer. "Künstliche Wellen", erklärt Neuner den Unterschied, "gibt es grundsätzlich auch. Aber das sind riesige Plastikwannen, die nur für Events aufgebaut werden und über die dann mit irrem Energieaufwand Wasser geströmt wird. Ich halte das für ökologischen Wahnsinn." Im Inn dagegen könne man nun harmonisch und im Einklang mit der Natur surfen.

Foto: Area 47 / Rudi Wyhlidal

"Wir haben im Winter zwischen zwei Felseninseln ein Gefälle eingebaut - das geht nur bei Niedrigwasser. Und offensichtlich die perfekte Stelle dafür getroffen", ergänzt er. Tatsächlich finden sich hier mittlerweile bis zu 100 Flusssurfer täglich ein, um auf der Welle ihr Glück zu versuchen. "Viele kommen auch bei Regen - man wird ja eh nass", sagt er.

Foto: Area 47

Hinter der Welle stünden laut Neuner derzeit noch keine unmittelbaren kommerziellen Interessen: "Da kann jeder hin - ohne Eintritt oder andere Gebühren zu bezahlen." Die Umwegrentabilität komme über die komplementären Angebote des Freizeitsparks zustande: "Wir bieten an, was junge Leute heute in ihrer Freizeit erwarten. Da kann sich nicht jedes Einzelprojekt rechnen. Wir haben hier etwa auch einen 30 Meter hohen Cliffdivingturm und können nicht jeden rauflassen."

Foto: Area 47 / Rudi Wyhlidal

Freilich hat eine Welle wie jene im Inn auch ihre Grenzen. Ein Fluss ist schließlich nicht unendlich breit, in der Regel kann immer nur ein einziger Surfer auf die Welle. Und deshalb, erklärt Flusssurfer Schlegel scherzhaft, sei es fast schon eine Geheimwissenschaft, die Orte und Zeiten für befahrbare Wogen im Alpenraum aufzuspüren. Das Um und Auf der Szene: "Wir hängen mit Kajakfahrern ab - die kennen unsere Flüsse am besten."

Foto: Area 47

Gute Spots würde man denn auch nur Kumpels verraten, doch selbst Anfänger müssen nicht auf dem Trockenen sitzen: "Die Eisbachwelle in München kennt in Bayern jeder. In Salzburg gibt es die Almwelle. Und auch in Graz, auf der Mur, wurden schon Flusssurfer gesehen." Teuer sei der Spaß zudem nicht: "Um den Preis einer Komplettausrüstung krieg ich nicht einmal ein Snowboard mit Bindung - alles andere liefert uns der Fluss frei Haus", sagt Schlegel. (Thomas Rottenberg, DER STANDARD, Rondo, 2.8.2013)

Info: Area 47

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