Solange die Sonne für Badetemperaturen sorgt, sind Sommerhits ja okay.

Foto: Andrea Maria Dusl
Pro: Sturmhöhe in Sorrent
Von Roman David-Freihsl

Es war der Sommer von 1978. Ich, damals mit der Familie in Sorrent, damals volles Rohr im Pubertieren und Hormonisieren - doch diese Wortwahl könnte Assoziationen in eine falsche Richtung lenken: Das war damals noch eher so ein Sehnsüchtig-unglücklich-verliebt-vor-sich-hin-Schmachten.

Und genau dort, am Golf von Neapel, hörte ich's zum ersten Mal: Erst diese elendshohe Fistelstimme, dann der mächtige Basseinstieg - und dann dieser Song, der mich in meiner Schmachterei wegschwappte, wie eine Welle beim Toter-Mann-Machen. Es blieb nicht bei diesem einen Mal - das Lied wurde den ganzen Sommer lang in jeder halbwegs funktionierenden Musikanlage Italiens - und nicht nur dort - rauf und wieder runter gespielt.

Sattgehört hab ich mich nie an diesem Song - sofern er wie damals im Sommer gespielt wird. Wuthering Heights von Kate Bush war und ist mein absoluter Lieblingssommerhit geblieben. Aber geschmust hab ich zu dieser Nummer eigentlich nie. Irgendwie komisch.

Kontra: Vergorene Melone
Von Gudrun Springer

Solange die Sonne für Badetemperaturen sorgt, sind Sommerhits ja okay. Man schmilzt away Like Ice in the Sunshine, wenn der Summer in the City die Menschen all around half-dead aussehen lässt, so sie nicht Pack die Badehose ein befolgt haben oder in den USA beim Surfin' sind. Doch sobald es sich schnürlmäßig eingeregnet hat und rotbrauner Rost am Blätterwerk der Bäume nagt, sobald das Wort Säule in Bezug auf den Quecksilberstand im Thermometer nicht mehr tragbar ist, ist das Summerfeeling aber verpufft.

So ein "Hit" kommt dann so modern daher wie ein ausgebleichtes Neonshirt, riecht wie eine zu Matsch vergorene Wassermelone, schmeckt wie ein zimmertemperierter Radler. Ein Hit ist aber ein Hit ist ein Hit - das Wort impliziert, dass er im Radio zu jeder Jahreszeit spielbar ist. Mit seiner Sommerausgabe scheint die Hoffnung mitzuschwingen, die Melodei könnte auf das Wetter abfärben. Das ist naiv. White Christmas in Endlosschleife bringt ja auch nicht den Schnee. Das sollte sich auch langsam mal herumsprechen. (Rondo, DER STANDARD, 2.8.2013)