Ein Kommunikationsdesaster, wie es Justizministerin Beatrix Karl im Falle des in der Untersuchungshaft vergewaltigten 14-Jährigen erlitt, kann Johanna Mikl-Leitner, ebenfalls von der ÖVP, nicht passieren. Dazu ist die Innenministerin zu sehr Profi. Während sich Karl mit aufgesetzter Uneinsichtigkeit, ehrlicher Inkompetenz und unangemessener Wortwahl zur Eisernen Lady ohne Mitgefühl stilisierte, bedient Mikl-Leitner die Öffentlichkeit mit kühlem Kalkül. Sie telefoniert den Journalisten, die sich mit dem "Fall" befassen, persönlich nach. Erklärt die "Sach­lage". Ruhig, freundlich, bestimmt.

Der Fall: Acht Männer aus Pakistan, die zuletzt unter der Obhut der Kirche im Servitenkloster Unterkunft, aber offensichtlich keinen Schutz gefunden hatten, werden mit polizeilicher Gewalt in ihr "Herkunftsland" zurückgebracht. Ihre Asylverfahren sind negativ abgeschlossen, die pakistanische Botschaft hat ihnen "Heimreisezerti­fikate" ausgestellt, sie wurden in Haft genommen, werden abgeschoben. Das sei keine leichte Aufgabe, erklärte die Innenministerin, die Polizisten haben ja kein Herz aus Stein. Aber so ist halt die Rechtslage.

Menschlichkeit? Das ist eine andere Baustelle. Hier geht es um politische Berechnung: Da könnte ja sonst ein jeder kommen. Und bleiben wollen.

Irgendwie ist es ganz praktisch, dass andere Pakistani, ebenfalls aus dem Kloster, nahezu zeitgleich wegen des Verdachts der Schlepperei festgenommen werden. Das hilft der Ministerin, rein von der Stimmungslage her.

Mit dem Wahlkampf habe das nichts zu tun, argumentiert Mikl-Leitner. Die ÖVP-Zentrale wird sicherheitshalber aber von einem Polizeikordon umstellt. Es könnten Demonstranten kommen.

Alles rechtmäßig. Mag schon sein. Die Berichte, die sich das Innenministerium heraussucht, besagen, dass die Lage in Pakistan sicher, eine Abschiebung daher zulässig sei. Andere Quellen gehen davon aus, dass den Flüchtlingen in ihrem Heimatland große Gefahr droht. Die Glaubwürdigkeit dieser Einschätzung wird mit dem Argument des naiven Gutmenschentums argumentativ niedergeknüppelt. In Wien werden übrigens auch Menschen, die sich in Kundgebungen mit den Flüchtlingen solidarisieren, von der Polizei niedergeschlagen.

Die ÖVP hat diese Abschiebungen mit Sicherheit nicht für den Wahlkampf inszeniert. Aber sie war gut darauf vorbereitet und spielt damit: Das Thema kommt ihr gelegen. Ein bisschen Law and Order hat sich im Wahlkampf immer bewährt, da rücken Funktionäre und Sympathisanten zusammen. Und wenn sich dann sogar ein Kardinal zu Wort meldet und seiner persönlichen Traurigkeit Ausdruck verleiht, schärft das nur das eigene Profil: katholisch, das schon, aber ohne falsche Wehleidigkeit. Besonders dann nicht, wenn es um das Schicksal von anderen geht.

Über ein humanitäres Bleiberecht wird im Wahlkampf nicht diskutiert. Für die ÖVP - und im Übrigen auch für die SPÖ, die lieber gar nichts dazu sagt - ist das thematisch viel zu heikel. Im Wahlkampf lässt sich auch für eine Partei, die sich auf eine christlich-soziale Tradition beruft, die Abschiebung leichter argumentieren als die Duldung von Flüchtlingen: Für zwölf weitere Männer, die im Servitenkloster untergebracht sind, wurde bereits das "Heimreisezertifikat" beantragt. Es ist dies die "Errichtung eines humanitätsfreien Raumes", wie es Caritas-Präsident Franz Küberl formuliert. (Michael Völker, DER STANDARD, 30.7.2013)