Inspirationen von David Lynchs stilprägender Dramaserie holen sich Serienerfinder bis heute: von "Mad Men", "Desperate Housewives", "Lost" bis "Breaking Bad".

Wien – Knapp 22 Jahre ist es her, als Agent Dale Cooper an Diane die folgenschweren Worte richtete: "Ankunft in der Kleinstadt Twin Peaks. Sieben Kilometer südlich von Kanada, 15 Kilometer westlich der Staatsgrenze. Ich habe noch nie so viele Bäume auf einmal gesehen." Am 8. April 1991, am 10. September in Deutschland und am 15. September in Österreich  startete mit "Twin Peaks" jene Serie, die das Fernsehen revolutionierte. Mit dem Diktiergerät in der Hand sorgte der FBI-Agent (Kyle Mac Lachlan) die nächsten Monaten über für einen Neuanfang der Welt des seriellen Erzählens - und für einen bis dahin im Episodenfernsehen nicht gekannten Hype. Eine ganze Nation aufgeregter Fernsehjunkies suchte den Mörder Laura Palmers und diskutierte Folge um Folge – damals noch nicht virtuell, versteht sich.

Foto: ARD / © CBS Studios International

Mark Frost und David Lynch verstanden es als erste, die Möglichkeiten des Formats voll auszuschöpfen. Mit einem Plot, der zwischen realer Krimihandlung und surrealem Alptraum in die Abgründe menschlichen Daseins führte. Mit Dialogen, die bis heute zu den besten gehören, die das Serienpublikum jemals zu hören bekam, mit der aus Lynchs Filmen bekannten Lust am, vor allem aber mit Figuren, die liebevoll bis ins kleinste Detail gezeichnet wurden.

Foto: ARD / © CBS Studios International

Wir erinnern uns an die Log-Lady (Catherine E. Coulson), an den sensiblen Deputy Andy Brennan (Harry Goaz) oder an die unvergleichliche Nadine Hurley (Wendy Robie) mit Augenklappe und unmenschlichen Kräften.  Bis dahin war fiktionaler Anspruch dem Kino vorbehalten. Kein Regisseur, der etwas auf sich hielt, wollte mit dem Fernsehen in Verbindung gebracht werden oder höchstens dann, wenn es als Sprungbrett für spätere Erfolge genannt wurde. Lynch wagte nach Blue Velvet und Wild at Heart den Sprung und gewann.

"Twin Peaks" wurde Teil einer Jugendkultur, die sich am Beginn der 1990er-Jahre gern in den dunkel-schicken Lebensstil versetzten, den die Serie vorgab, um sich endgültig von den knallbunten 1980ern zu verabschieden.

Dass "Twin Peaks" nicht ganz in den Serienhimmel aufstieg, liegt am schwachen Ende. Frost und Lynch ging die Luft aus, zu sehr strapazierten sie die Geduld des Publikums, das sich auf eine dermaßen defragmentierte Handlung irgendwann nicht mehr einlassen wollte.

Foto: ARD / © CBS Studios International

Inspirationen liefert "Twin Peaks" Serienerfindern bis heute: Wir sehen Ähnlichkeiten in der sorgfältigen Ausstattung von "Mad Men", die Abgründe im Kleinbürgermief in "Desperate Housewives", das Konzept des fortgesetzten Erzählens in "24", die Tatsache, dass der Teufel in jedem steckt in "Breaking Bad", und das Nicht-Existieren von unumstößlichen Wahrheiten in "Lost". Oder anders: "Die Eulen sind nicht, was sie scheinen."

Arte wiederholt "Twin Peaks" ab Mittwoch, 0.45 Uhr. (Doris Priesching, derStandard.at, 30.7.2013)

Der Soundtrack zur Serie "Twin Peaks"

Foto: HBO