Ein internationales Forscherteam hat im Süden der ostafrikanischen Insel Madagaskar eine bisher unbekannte Lemurenart entdeckt. Die zur Gruppe der Fettschwanzmakis zählende Primaten-Spezies lebt äußerst isoliert und dürfte aufgrund der geringen Anzahl an Individuen akut vom Aussterben bedroht sein. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts wurden in der Fachzeitschrift "Molecular Phylogenetics and Evolution" veröffentlicht.

Der neu beschriebene Lavasoa-Fettschwanzmaki (Cheirogaleus lavasoensis) kommt nach bisherigem Kenntnisstand ausschließlich in drei kleinen, isolierten Waldfragmenten im äußersten Süden Madagaskars vor. Die genaue Populationsgröße ist unbekannt. Nach vorläufigen Schätzungen gibt es aktuell weniger als 50 Tiere dieser Art, die damit sehr selten und vom Aussterben bedroht ist.

Winterschlaf in den Tropen

Aufgrund ihrer Lebensweise sind Fettschwanzmakis sehr schwer zu untersuchen, denn die nachtaktiven Waldbewohner halten sich häufig im oberen Teil des Kronendachs auf. Während des südlichen Winters führen sie zudem einen mehrmonatigen Winterschlaf durch. Aktiv sind die Tiere hauptsächlich während der Regenzeit, wenn viele der von ihnen bewohnten Wälder aufgrund der Witterungsverhältnisse für die Wissenschafter aber weitestgehend unzugänglich sind. Dennoch ist es für die aktuelle Untersuchung gelungen, insgesamt 51 Individuen aus dieser Lemuren-Gruppe an neun Standorten in Lebendfallen einzufangen, um sie nach der Entnahme von winzigen Gewebeproben wieder in ihrem natürlichen Umfeld freizulassen.

Die entnommenen Gewebeproben wurden am Institut für Anthropologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz molekulargenetischen Analysen unterzogen. Die hierbei gewonnenen Daten wurden in einem nächsten Schritt mit bereits publizierten Daten anderer Forschergruppen zusammengeführt. "Mit den neuen Daten aus Südmadagaskar konnten wir die existierenden Datensätze entscheidend erweitern", erläutert Dana Thiele von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). "In umfangreichen Datenanalysen haben wir dann die genetische Diversität in zwei nah verwandten Lemurengattungen – den Mausmakis (Microcebus) und den Fettschwanzmakis (Cheirogaleus) – untersucht und sind durch den Vergleich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Artdiversität der Fettschwanzmakis bisher unterschätzt wurde."

Bereits vor 12 Jahren erstmals gesichtet

Die ersten Individuen der neuen Art Lavasoa-Fettschwanzmaki hatten Andreas Hapke von der JGU und Refaly Ernest, der als einheimischer Feldassistent im Projekt mitarbeitete, bereits während eines Forschungsaufenthalts in Madagaskar im Jahr 2001 entdeckt. Damals existierten kaum genetische Vergleichsdaten aus anderen Teilen der Insel, weshalb die Tiere zunächst der Art Cheirogaleus crossleyi zugeordnet wurden. Erst jetzt konnte geklärt werden, dass es sich tatsächlich um eine eigenständige Lemurenart handelt. (red, derStandard.at, 30.07.2013)