Zwar ist es beschlossene Sache, dass der Österreicher Peter Löscher als Siemens-Chef weichen muss. Doch verwundert es kaum, dass im Zuge der Ränkespiele noch ein weiterer deutscher Topmanager seit Tagen im Gerede ist: Gerhard Cromme (70), der Aufsichtsratschef von Siemens, dem Löscher den Rauswurf verdankt.

Es geht nicht nur um die alte Frage, ob nicht vielleicht auch der Aufsichtsratschef durch zu langes Zusehen versagt hat, wenn der Konzernboss so vieles nicht liefert. Für Cromme steht die eigene Reputation auf dem Spiel - und diese hat in letzter Zeit auf einem anderen Feld, nämlich beim Essener Stahlkonzern ThyssenKrupp, schwer gelitten.

27 Jahre war Cromme dort beschäftigt. Als der studierte Jurist und Volkswirt aus Niedersachsen 1986 als Vorsitzender nach Bochum kommt, ist die Krupp Stahl AG noch eigenständig und zählt zu den klingenden Namen in der deutschen Schwerindustrie. Cromme räumt zunächst einmal auf und schließt gegen den massiven Widerstand der Stahlarbeiter das Traditionswerk in Duisburg-Rheinhausen.

Auf seine Initiative geht die feindliche Übernahme des Stahlkonkurrenten Hoesch im Jahr 1992 zurück, auch die Fusion Krupps mit dem Stahlgiganten Thyssen (1999) treibt er voran.

Im Jahr 2001 wechselt der Zweimetermann, der stets in feinstem Zwirn mit Einstecktuch auftritt, als Vorsitzender in den Aufsichtsrat von ThyssenKrupp. Es bleibt nicht alleine dabei, Cromme wird zu einem der einflussreichsten Manager Deutschlands. Er saß schon in den Aufsichtsräten von Allianz, Lufthansa, Eon und VW. Bis 2008 war er zudem Chef der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, die Regeln für eine transparente Unternehmensführung ausarbeitet.

Aktuell kontrolliert der Vater von vier Töchtern beim Springer-Verlag und eben bei Siemens. Sein "Baby" ThyssenKrupp ist nicht mehr dabei, dort musste Cromme seinen Aufsichtsratsposten nach dem Milliardendebakel bei den Stahlwerken in Brasilien und den USA vorzeitig räumen.

Seither ist der Aufsichtsratsposten bei Siemens für ihn umso wichtiger - zumal sein Abgang bei ThyssenKrupp ein schmählicher war. Zuletzt verstieß ihn sogar sein ehemaliger Mentor, der knapp hundertjährige Chef der Krupp-Familienstiftung, Berthold Beitz, der über Crommes Arbeit so urteilte: "Über Jahre habe ich gehört, bald werde alles besser, aber es wurde immer schlimmer." (Birgit Baumann, DER STANDARD, 30.7.2013)