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Mario Draghi ist neben der deutschen Kanzlerin Angela Merkel zum wichtigsten Spieler in der Eurokrise avanciert. Doch die deutsche Regierung ist dem Bundestag zur vollen Transparenz verpflichtet und muss den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Draghi dagegen hat innerhalb seines Mandates freien Spielraum.

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Wien - Wenn Mario Draghi nach den Sitzungen des Rats der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt vor die Presse tritt, ist nichts dem Zufall überlassen. Draghi verliest regelmäßig ein kurzes Statement, dann dürfen die Journalisten ihre Fragen zu den Strategien und Motiven der EZB stellen. Mehr als in seiner Stellungnahme zu Beginn sagt Draghi aber nur selten: Die Zentralbank funktioniert wie eine Blackbox, was in den zinspolitischen Sitzungen passiert, bleibt geheim.

Doch das könnte sich bald ändern. Die beiden EZB-Direktoriumsmitglieder Jörg Asmussen und Benoit Coeuré plädierten am Montag in einem Interview mit der Süddeutschen und Le Figaro dafür, künftig schriftliche Protokolle der Sitzungen und Abstimmungen des EZB-Rates zu veröffentlichen. Asmussen argumentiert, dass andere Zentralbanken wie die Fed in den USA, die Bank of Japan und die Bank of England entsprechende Protokolle bereits seit Jahren publik machen. Die Gesellschaft habe ein Anrecht auf mehr Transparenz, so Asmussen.

Die Debatte entbrennt nicht zum ersten Mal. Seit Krisenausbruch ist die Bedeutung der EZB im politischen Gefüge Europas stark gestiegen. Die Notenbank hat an den Märkten kräftig interveniert, ihre Bilanzen haben sich seit 2008 verdreifacht. Die EZB-Führung tritt zwar häufiger in der Öffentlichkeit auf, besonders Asmussen sucht die Nähe der Presse um Entscheidungen zu erläutern.

Blick hinter die Kulissen

Aber einen Blick hinter die Kulissen erlauben die Zentralbanker nicht, im Gegenteil: 2010 startete die EZB ein Unterstützungsprogramm für Krisenländer und kaufte Staatsanleihen im Wert von mehr als 200 Milliarden Euro. Obwohl das Risiko solcher Geschäfte die Steuerzahler tragen, hielt die Zentralbank bis Anfang 2013 geheim, welchen Ländern sie unter die Armee griff. Interne Regeln geben der EZB einen weiten Spielraum dafür, was sie veröffentlichen muss. Im Zweifel bleibt alles, was die Stabilität der Märkte gefährden kann, geheim.

Transparency International fordert deshalb schon seit Monaten eine Reform der Euro-Zentralbank, wobei die Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle für Transparency nur ein erster Schritt sein kann. Die Organisation wünscht sich auch die Bestellung von unabhängigen Mitgliedern in das EZB-Führungsgremium, um die internen Kontrollmechanismen zu stärken. Das wird bereits bei der Bank of England praktiziert: Dort kommen vier der neun Mitglieder des zinspolitischen Rates von außerhalb, sie haben also vor ihrer Ernennung nicht in der Notenbank gearbeitet. Transparency fordert zudem eine Stärkung der Rolle des Europäischen Parlamentes in Personalfragen. So muss das Parlament bei der Ernennung von EZB-Direktoriumsmitgliedern zwar konsultiert werden. Ein Vetorecht haben die Abgeordneten aber im Gegensatz zu dem US-Senat nicht, die letzte Entscheidung in Personalfragen liegt bei den europäischen Regierungschefs.

Derzeit klingen die Forderungen aus der Zivilgesellschaft allerdings utopisch. Denn selbst an der Frage, ob die Sitzungsprotokolle künftig veröffentlich werden, scheiden sich die Geister. Bereits Ende der 90er-Jahre wurde die Offenlegung überlegt.

Nationale Interessen

Der erste EZB-Chef, Wim Duisenberg, wehrte sich gegen die Pläne erfolgreich. Duisenberg fürchtete, dass ein Transparenzgebot die Mitglieder des Rates, die eigentlich unabhängig agieren sollen, an nationale Interessen binden würde. "Das Argument hat etwas für sich", meint der britische Ökonom Iain Begg, der über den Demokratisierungsprozess von Notenbanken forscht. "Die nationalen Notenbankchefs - die ja auch im EZB-Rat sitzen - könnten versucht sein, ihre Meinung aufgrund von öffentlichem Druck in der Heimat zu ändern", sagt Begg im Standard-Gespräch. Dabei überwiegen für ihn dennoch die Vorteile einer Offenlegung - auch aus Sicht der Investoren könnten EZB-Entscheidungen nachvollziehbarer werden.

Fest steht, dass die Transparenzdebatte in den kommenden Monaten an Fahrt aufnehmen wird: 2014 soll die EZB ja die Oberaufsicht über die Banken im Euroraum übernehmen. (András Szigetvari, DER STANDARD, 30.7.2013)