Am Montag wurden die Pakistani zum Flughafen Schwechat gebracht.

Protest am Schwechater Flughafen.

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Ein Aktivist der Sozialistischen Linkspartei vor dem Anhaltezentrum in Wien. Einige Demonstranten sind seit über 24 Stunden auf den Beinen.

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Polizisten hielten vor dem Anhaltezentrum an der Rossauer Lände die Stellung.

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Bereits gestern hat es vor dem Poizeianhaltezentrum an der Roßauer Lände Proteste gegeben.

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Wien - Die ersten der sogenannten Votivkirchen-Flüchtlinge werden heute abgeschoben. Die acht Pakistani wurden bereits aus dem Polizeianhaltezentrum an der Rossauer Lände in Richtung Flughafen gebracht und müssen im Laufe des Tages das Land verlassen. Das wurde seitens der Polizei bestätigt. Eine Protest-Kundgebung vor dem Anhaltezentrum, an der zwischen 80 und 100 Personen teilnahmen, war gegen 8.30 Uhr von einem massiven Polizeiaufgebot aufgelöst worden. Am Vormittag waren noch eine Handvoll Demonstrierender vor Ort. Sie waren gezeichnet von der langen Nacht, die sie vor dem Anhaltezentrum verbracht hatten. Unter ihnen eine 23-jährige Studentin, die seit Sonntagvormittag vor der Rossauer Kaserne ausharrte: "In der Früh wurden wir von der Polizei eingekesselt", sagt sie zu derStandard.at.

Die Flüchtlinge wurden in Richtung Schwechater Flughafen gebracht. Wann die Abschiebung genau stattfindet, wollte die Polizei nicht kundtun. Sie dürfte aber in Kürze vollzogen werden.

Besetzten wochenlang die Votivkirche

Die acht Männer gehören zur Gruppe jener Flüchtlinge, die im vergangenen Winter wochenlang die Votivkirche besetzt hatte und später im Serviten-Kloster Unterschlupf gefunden hatte. Dort halten sich jetzt noch knapp 40 Flüchtlinge, fast alle aus Pakistan auf. Bei etlichen von ihnen ist das Asylverfahren noch immer nicht abgeschlossen, was der Wiener Caritas-Geschäftsführer Klaus Schwertner heute nochmals kritisierte.

Kundgebungen gegen Abschiebungen

Für heute wurden Kundgebungen angemeldet, bei denen Unmut über die Außer-Landes-Bringungen geäußert werden soll. Eine Protestveranstaltung ist vor dem Polizeianhaltezentrum an der Rossauer Lände geplant, die andere vor dem Innenministerium.

Die Befürchtungen der Pakistanis gehen in die Richtung, dass ihnen bei der Heimkehr Repressalien drohen, da sie im Rahmen ihres Protests öffentlich die Regierung in Islamabad kritisiert hätten und auch auf das Vorgehen der Taliban aufmerksam gemacht hätten. Das Innenministerium verweist dagegen auf das Ergebnis einer Factfinding-Mission des Bundesasylamts in diesem Jahr, auf deren Basis dem BMI Abschiebungen möglich erscheinen.

Mikl-Leitner: Keine Asylgründe

Im Ö1-Morgenjournal hat Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ihre Vorgangsweise abermals verteidigt. Sie gab an, dass laut Bundesasylamt und unabhängigem Asylgerichtshof keine Asylgründe vorliegen. Da die Ermessensspielräume ausgeschöpft seien, müssten die Behörden fremdenpolizeilich handeln. Daher werde sie auch nicht von ihrer Möglichkeit Gebrauch machen, die Abschiebungen zu stoppen. Zur umstrittenen Sicherheitslage in Pakistan meinte Mikl-Leitner, dass für jeden Asylwerber das Ausmaß der Gefährdung erhoben werde. Pakistan sei vor allem für österreichische Staatsbürger gefährlich, weil diese dort Ziel von "anti-westlichen" Kräften sein könnten.

SPÖ: "Komischer Zeitpunkt"

Zurückhaltend reagiert die SPÖ. Integrationssprecherin Angela Lueger findet den Zeitpunkt der Abschiebung zwar "komisch", wie sie im Gespräch mit derStandard.at sagt. Sie habe auch erst "in den Medien" davon gelesen und sei überrascht. Einen Stopp der Abschiebungen möchte sie aber nicht fordern: "Man muss das gesetzlich genau prüfen, ich kann keinen Schnellschuss machen." Dass die Pakistani in ihrem Heimatland Gefahren ausgesetzt sein könnten, wovor mehrere Menschrechtsorganisationen warnen, zählt für die SPÖ-Politikerin nicht als Argument: "Auch die Situation in Pakistan ist zu prüfen."

Kritik kam aus der roten Gewerkschaft FSG in der Produktionsgewerkschaft, die sich ebenfalls die Frage nach einem Zusammenhang mit dem Wahlkampf stellte. Die "überhastete Abschiebeaktionhilft aber ausschließlich dem rechten politischen Rand", hieß es in einer Aussendung.

Kritik an Mikl-Leitner

Aus der SPÖ-Bundeszentrale heißt es lediglich: "Wir gehen davon aus, dass die zuständigen Behörden über das Asylansuchen auf rechtlich korrekter Basis entschieden haben." Kritisiert wird von Sprecher Stefan Hirsch jedoch Mikl-Leitner: "Die Aussage der zuständigen Innenministerin im heutigen Morgenjournal, dass sie ja auch nicht garantieren könne, dass ein Asylwerber einen Autounfall in Österreich haben könne, ist allerdings geschmacklos und hat mit der Sache nichts zu tun."

Prammer: Alle gesetzlichen Mittel ausschöpfen

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) appellierte am Rande einer Pressekonferenz in Salzburg an die Innenministerin, sie solle bedenken, ob alle möglichen gesetzlichen Mittel für eine gelindere Vorgehensweise ausgeschöpft worden seien. Prammer sagte auch, dass sie die Enttäuschung der vielen Menschen verstehe, die sich um die Flüchtlinge gekümmert haben. Sie kenne allerdings die Akten und die einzelnen Fälle nicht im Detail, räumte sie ein.

"Natürlich leben wir in einem Rechtsstaat", verwies Prammer auf Mikl-Leitners Argumentation, dass die Gesetze eingehalten werden müssten. Prammer stellte aber die Frage, ob die Ministerin "die vielen Möglichkeiten im Gesetz ausgenutzt hat. Ich kann nur appellieren, den Wahlkampf nicht auf dem Rücken der Flüchtlinge zu machen - das ist ungeeignet und nicht menschenwürdig".

Warnung vor Situation in Pakistan

Die SPÖ-Abgeordnete Sonja Ablinger warnt im Gespräch mit derStandard.at vor der Situation in Pakistan. Reisewarnungen würden zeigen, dass die Lage nicht sicher sei. Die Kritik an den Abschiebungen hält sie für berechtigt: "Wir haben eines der restriktivsten Asylgesetze." Sie fordert nicht nur die SPÖ auf, sie einer Debatte über die Asylgesetzgebung zu stellen, denn es gäbe, so Ablinger, Reformbedarf.

Die FPÖ wiederum nahm Mikl-Leitner in Schutz. Die Aufregung rund um die Abschiebung sei "völlig irrwitzig und keinesfalls nachvollziehbar", sagte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in einer Aussendung. Die Innenministerin tue nichts anderes, als die österreichischen Gesetze zu exekutieren. "Dafür ist sie schließlich Teil der Regierung und dafür ist sie Ministerin", so Strache.

Grüne gegen "Abschiebeüberfälle"

Für die Grünen ist sind die Abschiebungen "ÖVP-Wahlkampf auf dem Rücken von gefährdeten Menschen", wie Menschrechtssprecherin Alev Korun bereits am Sonntag meinte. Michel Reimon, Landtagsabgeordneter im Burgenland, schreibt in seinem Blog, dass die Grünen nach der Nationalratswahl Regierungsverantwortung übernehmen sollen. "Wir Grüne müssen in die Regierung, SP und VP müssen unter 50 Prozent fallen. Wir werden Kompromisse machen müssen, bei denen wir speiben gehen wollen. Aber es wird viel besser sein als das jetzt: Solche Abschiebeüberfälle darf es dann nicht geben."

"Amnesty" irritiert

"Amnesty International" nimmt die Entscheidungen des Asylgerichtshofs, die Asylanträge der Votivkirchen-Flüchtlinge abzuweisen "zur Kenntnis". Man sei aber sehr irritiert, dass es Reisewarnung für Österreicher nach Pakistan wegen der "besorgniserregenden" Sicherheitslage gebe, die rechtlichen Kriterien es aber offensichtlich erlaubten, die abgelehnten Asylwerber trotzdem problemlos in so ein Land abzuschieben. Hier sei Österreich dringend gefordert, die Zulässigkeitskriterien besser zu definieren, erklärte Amnesty-Generalsekretär Heinz Patzelt in einer Aussendung.

Caritas und Diakonie haben in einer Aussendung ihre "tiefe Sorge" zum Ausdruck gebracht. Wiens Caritasdirektor Michael Landau bezweifelte in einer Aussendung, dass die österreichische Bundesregierung für die Sicherheit der Betroffenen in Pakistan garantieren könne und die Sicherheitslage dort richtig einschätze. 

Auch Beatrix Mayrhofer, Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs, hat in einer Aussendung ihre Betroffenheit über die Abschiebung der einstigen Votivkirchen-Besetzer ausgedrückt. Die Ordensschwester, die sich bereits im Winter für die Asylwerbenden eingesetzt hat, protestierte am Montag gegen "die Kälte des Rechtsstaats Österreichs - bei großer Hitze".  (APA/rwh/llh, 29.7.2013)