Was am Roller schon lange ganz normal ist, will Honda seit ein paar Monaten auch am Motorrad umsetzten: Ein Automatikgetriebe. Aber eine Variomatik, wie sie in den Rollern eingesetzt wird, kann man natürlich nicht in einen Straßenbock verbauen, wenn man ernsthaft daran denkt, mehr Motorräder zu verkaufen als diesbezüglich Wetten verloren werden. Also blickte Honda in Richtung Auto, wo das Doppelkupplungsgetriebe einen Automatik-Boom auslöste. War eine Schaltautomatik bis vor wenigen Jahren nur etwas für Alte, Unfähige oder Amerikaner – körperlich tatsächlich Beeinträchtigte lassen wir hier außen vor – wurde sie wegen zwei Eigenschaften auf einmal begehrt. Sie schaltete ohne Zugunterbrechung – damit war sie sportlich – und sie sparte Sprit. Komfortabel ist sie auch, ja, aber das allein hat den alten Automatikgetrieben auch nicht geholfen. Obwohl, der Komfort einer Drei-Gang-Automatik war wohl ohnedies endenwollend.

Foto: Honda

Einen Nachteil hat so ein Doppelkupplungsgetriebe natürlich schon. Es ist schwerer als ein herkömmliches Schaltgetriebe. Bei Motorrädern, wo es um jedes Gramm geht, wiegt so ein Kilogramm natürlich doppelt. Darum baute Honda sein DCT, wie sie das Doppelkupplungsgetriebe nennen, nicht in Supersportler, sondern in Tourer ein. Wenn man eh 15 Kilo Gepäck im Topcase mitführt, machen ein paar Gramm, die nahe am Schwerpunkt liegen, nicht viel aus. Aber passt die Automatik-Schalterei überhaupt zu einem Motorrad? Oder ist das etwas, das man alleine beim Roller verbauen sollte.

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Nach einem ersten Ausritt letztes Jahr, habe ich zwar das Konzept verstanden – glaubte ich – aber ganz erschlossen hat sich das System für mich nicht. Es schaltet, wann es will, nicht wenn ich es will. Und wenn ich selber schalte – natürlich geht das beim DCT genauso wie bei jedem Doppelkupplungsgetriebe in einem Auto – dann werd ich erst richtig unrund.
Denn wer richtig schaltet – erst vorbelasten, dann Gas weg und kurz an der Kupplung ziehen – der schaltet mit dem DCT natürlich immer schon viel zu früh, selbst wenn er den Schalthebel eigentlich nur vorspannen möchte.

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Obwohl ich mit dem System noch nicht ganz auf Du war, riss ich mit der Crosstourer – natürlich samt DCT – eine Tour an. Mit dabei die Reißerische und der fid. Die Crosstourer war die schwächste Maschin im Pulk, die Strecke kannte außer Berge nur Kurven – und sie schlug sich nicht nur tapfer, sondern war das perfekte Radl für die Tour. Das Tempo war moderat, die Temperatur nicht. Kein Stopp&Go-Verkehr, in dem das DCT seine Stärke des automatischen Auskuppeln ausspielen könnte.

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Die NC700X, ebenfalls mit DCT, erst unlängst in der Stadt und Umgebung ausgeführt, zeigte nämlich, wie schnell man sich daran gewöhnt, dass man bei der roten Ampel nicht am Kupplungshebel ziehen, den Leerlauf suchen und dann sanft die Erste wieder einlegen muss. Der erste Gang bleibt beim Ampelstopp immer eingelegt, das DCT kuppelt selbstständig aus und fertig. Beim Losfahren reicht ein Dreh am Gasgriff, und die Reiben fährt los. Eh wie beim Auto. Sogar gleich sanft. Nicht nur bei der 48 PS starken NC700X, die zwar unten raus ein schönes Drehmoment hat – aber bei höheren Drehzahlen geht dem Twin halt irgendwann das Schmalz aus. Auch die deutlich stärkere und schwerere Crosstourer fährt sich mit dem System hervorragend in der Stadt. Da ruckelt nix, da gibt es keine Zugunterbrechung zwischen den Schaltvorgängen. Herrlich.

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Überraschend war dann aber, wie das System auf den Bergstraßen, mit viel Brems- und Beschleunigungsarbeit, funktioniert. Hecheln, um den beiden anderen nachzukommen, musste ich trotz weniger Leistung und mehr Gewicht nicht. Viel mehr konnte ich mich voll und ganz aufs Fahren konzentrieren und habe bald keinen Gedanken mehr an die Schalterei verschenkt. Nur, mit dem D-Modus ist dann nix mehr. Im Sport-Modus, S, dreht die Honda die Gänge höher aus und hat so mehr Schmalz.

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Wenn ich auf 500 Kilometern, bergauf, doch fünf Mal einen Gang runtergehackelt hab, um die Meute nicht aufzuhalten, ist es viel. Dabei schaltete ich nicht mit der linken Hand – dort gibt es einen + und einen - Knopf in der Blinkerarmatur – sondern mit dem Fuss. Dann weiß die Elektronik aber auch, dass der Gang jetzt ein Zeiterl drinnen bleiben soll, und erst wieder raufgeschalten wird, wenn die Orglerei oder das Drehzahlband aus sind.

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Nur wenn es steil bergab geht, stößt das System an seine Grenzen. Kommt man mit der Zweiten aus einer Kehre, geht leicht ans Gas, dann schaltet das DCT gerne früh hoch – aber vor der nächsten Kehre natürlich nicht rechtzeitig runter. Das waren die einzigen Passagen, wo ich manuell schaltete – und die Automatik ganz abdrehte. Denn wenn dir die Honda kurz vor der Kurve doch die Dritte nachlegt, während du grad die Motorbremswirkung im Zweier auskostest, dann werden die Augen verdammt groß.

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Was aber nach der Tour klar ist: Perfekt ist das System für den Stadtverkehr und die längere Tour – wenn man sie nicht mit dem Messer zwischen den Zähnen fährt. DCT ist ein Komfortgewinn. Das Sport-Must-Have ist es sicher nicht. Vielleicht auch noch nicht. Was es aber kann, ist Spritsparen. Die NC700X fahren einige Leute mit einem Verbrauch von rund 3,5 Liter. Das schafft die 129 PS starke Crosstourer mit dem V4 natürlich nicht, schon gar nicht, wenn man sie dauernd hoch gedreht im Sportmodus fährt.

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Auf der anderen Seite der Medaille steht, dass der Kupplungshebel – gerade am Anfang schon sehr fehlt. Man ist es halt gewohnt, dort ein oder zwei Finger abzulegen. Eine Attrappe wäre eine Lösung. Die könnte man auch mit einer wirklich wichtigen Funktion belegen. Eine kalte Dusche zum Beispiel, hätte mich während der Tour im Minutentakt am Hebel ziehen lassen.

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Das Doppelkupplungsgetriebe kostet bei Honda derzeit für die Crosstourer 1.500 € – damit kommt die Crosstourer auf 17.790 €, bei der NC700X 1.000 € Aufpreis, die dann 8.690 € kostet. (Guido Gluschitsch, derStandard.at, 29.7.2013)

Crosstourer

NC700X

Foto: Honda