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Peter Löscher wird als Siemens-Vorstandschef abgelöst.

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Finanzvorstand Joe Kaeser (links) folgt Löscher vermutlich nach.

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Siemens-Vorstandschef Peter Löscher wird nach sechs Jahren an der Spitze des Technologiekonzerns abgelöst. Der Aufsichtsrat werde auf seiner Sitzung am Mittwoch über die Ernennung eines neuen Konzernchefs entscheiden, teilte das Unternehmen am Samstagabend mit. Der Österreicher Löscher war nach einer Gewinnwarnung unter Druck geraten.

Der Aufsichtsrat werde am 31. Juli 2013 über das vorzeitige Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden entscheiden, erklärte Siemens. "Zudem wird er über die Ernennung eines Vorstandsmitglieds zum Vorstandsvorsitzenden beschließen." Die Tagesordnung für die Sitzung des Aufsichtsrats sei am Samstag entsprechend erweitert worden.

Löscher-Rauswurf kostet mehr als neun Millionen Euro

Siemens muss sich den Löschers Rauswurf mehr als neun Millionen Euro kosten lassen. Gemäß der Vergütungsregeln der Münchner bekommt ein Vorstand bei einvernehmlichen Ausscheiden zwei Jahresgrundgehälter inklusive Bonus, was sich im Fall des Österreichers auf 6,7 Millionen Euro summiert. Hinzu kommt eine Spritze für sein Pensionskonto über gut 2,2 Millionen Euro sowie anteilig der - noch nicht festgelegte - Bonus für das laufende Geschäftsjahr.

Die Zahlungen fallen nur weg, wenn Löscher von sich aus kündigt oder die Aufsichtsräte den Österreicher aus "wichtigem Grund" feuern. In seiner sechsjährigen Amtszeit hat sich Löscher zudem Ansprüche für seine Altersversorgung über fast 15 Millionen Euro erworben.

Kaeser Favorit für die Nachfolge

Siemens hatte am Donnerstag eine Gewinnwarnung ausgegeben und erklärt, dass das vorgegebene Ziel einer Rendite von zwölf Prozent bis zum Jahr 2014 auf keine Fall erreicht werden könne. Als mögliche Nachfolger Löschers waren in den vergangenen Tagen Finanzvorstand Joe Kaeser und Industrievorstand Siegfried Russwurm gehandelt worden. Mit dem Vorgang vertraute Personen teilten der Nachrichtenagentur Reuters mit, die Aufsichtsräte hätten sich in der Mehrheit für Kaeser ausgesprochen.

Der frühere Merck-Manager Löscher hatte 2007 das Amt des Siemens-Chefs übernommen. Die Initiative für die Absetzung Löschers kam nach Angaben des "Managermagazins" vom Freitag von den Vertretern des Kapitals im Aufsichtsrat. Aber auch unter den Arbeitnehmern gab es demnach Unmut, nachdem Löscher die Belegschaft mit seinem Sparprogramm "Siemens 2014" und dem Abbau von voraussichtlich 10.000 Stellen weltweit gegen sich aufgebracht habe.

Zuletzt hatte sich Löscher noch kampflustig gegeben. "Mir bläst jetzt der Wind ins Gesicht, aber es war noch nie meine Art aufzugeben oder schnell die Segel zu streichen", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". "Ich habe einen Vertrag bis 2017, und gerade jetzt ist der Kapitän bei Siemens mehr gefragt denn je."

Löschers Serie an Misserfolgen

Sein Stern sank allerdings rapide. Die Gewinnwarnung vom Donnerstag markierte einen weiteren Tiefpunkt in einer langen Reihe von Misserfolgen in Löschers Amtszeit. Sie begann mit dem überteuerten Einkauf des Labordiagnostikgeschäfts, führte über die überhastete und letztendlich teure Trennung vom französischen Atom-Partner Areva und mündete jüngst in einer Reihe von technischen Pannen, die Siemens wieder und wieder die Bilanz verhagelten. Anschlüsse von Windparks in der Nordsee bekamen die Münchner nicht hin. Den von Löscher hoch und heilig versprochenen Liefertermin für neue ICE-Züge an die Deutsche Bahn verfehlt der Konzern um mehr als ein Jahr. In den USA brachen Windturbinen auseinander, die Reparatur schlägt allein mit gut 100 Millionen Euro zu Buche. Selbst mit Übernahmen hatte Löscher wenig Glück. Das zusammengekaufte Solargeschäft erwies sich nach nur wenigen Jahren als Totalausfall, der verlustreiche Zweig wurde geschlossen.

Unterdessen zogen die Rivalen davon. Eigentlich kündigte Löscher an, Siemens werde schneller als seine Konkurrenten ABB, GE oder Philips wachsen. Doch das Gegenteil trat ein. Allen voran die Schweizer ABB ging auf ausführliche Einkaufstour und setzte sich in Sachen Wachstum und Rendite immer stärker von den Bayern ab.

Enttäuschende Entwicklung

Anfangs als Aufräumer in der Schmiergeldaffäre gefeiert, wuchs in letzter Zeit unter Aktionären und Analysten das Missfallen. "In den letzten 18 Monaten ist die Entwicklung einfach nur noch enttäuschend", hatte Fondsmanager Henning Gebhardt von der DWS auf der Hauptversammlung geklagt. Privataktionär Hans-Martin Buhlmann rechnete für Löschers Amtszeit vor: "Zehn Milliarden Euro Aktionärsgeld wurden vergeigt."

Vor dem Aktionärstreffen hatte sich der selbst umstrittene Aufsichtsratschef Gerhard Cromme noch hinter seinen Zögling gestellt. Die beiden verbindet an der Siemens-Spitze eine Schicksalsgemeinschaft. Nach dem Abgang von Klaus Kleinfeld lotste Cromme 2007 den seinerzeit weitgehend unbekannten Löscher vom US-Pharmakonzern Merck an die Isar. Als unbelasteter Außenstehender sollte er mit der Korruption aufräumen. Zügig legte der heute 55-Jährige zusammen mit dem neuen Vorstand Peter Solmssen den Schmiergeldsumpf trocken. Doch viele Mitarbeiter und Manager berichten, Löscher sei in dem weit verzweigten Konzern nie wirklich angekommen, kenne sich bis heute zu wenig aus. Als eigentlicher Siemens-Chef galt ohnehin vielen der ausgekochte Finanzvorstand Kaeser, der auf Analystenveranstaltungen mit Detailwissen glänzt, während Löscher sich meist auf wenige strategische Aussagen beschränkte. (APA, 28.7.2013)