Salzburg - Mit Fürzen und anderen Verdauungsvorgängen gleich im ersten Drittel derbe Scherze zu treiben kann leicht nach hinten losgehen. Man könnte zum Schluss kommen, auch Erwin Wurms Sprachkotzerei, uraufgeführt in der Halle von Thaddäus Ropac, sei eine von Winden verwehte Schmockerei. Doch wer bis zum Ende geduldig zuhört, merkt: stimmt nicht ganz. Das Beste in der 90-Minuten-Suada (auf dem Wurm-Podest: auf ebenso hohen Absätzen wie die Ladys im Publikum Anna Hofmann, Oliver Masucci und Nicholas Ofczarek) kommt gegen Schluss. Da amüsiert sich Wurm über promigeile Gastgeber (einige dürften durchaus im Publikum gesessen sein), die ihre Einladungen an Künstler-Rankings orientieren: "Nummer 25 bis Nummer 78: ja. Nummer 75.528: oh Gott, nein!" Wurm (im Kunstkompass-Ranking aktuell auf Platz 83), lässt Schneidbretter über Schnittmengen nachdenken, die Gabel kotzen und Highheels sprechen: "Jaja, wir heilen." Heels! Heals. Heilen! Oh.
Malern, lässt er wissen, habe er sich als Bildhauer - "als Schnöselbildhauer" - immer unterlegen gefühlt. Wurm, der Zukurzgekommene, eine neue Rolle. Eher befremdlich allerdings, dass einige (tote) Kollegen ihr (Alk-Leber-) Fett auch namentlich abkriegen.
Die stilistisch sich an Thomas Bernhard orientierende Polemik (mit ergiebigen Seitenblicken auf Peter Handkes Publikumsbeschimpfung) wird im Wurm-Setting mit Wurm-Utensilien (Gurke) vom Schauspieltrio - ja, was: vorgetragen? Gespielt? Eher nicht, obgleich: Wurm-Action gibt es schon on stage, man stopft Erdäpfel irgendwo hin, und sei es sich gegenseitig in den Mund; verharrt in Seitlich-Blanking, schaut sich oder Wurm im Fernsehen zu.
Via Knopferl im Ohr wird den dreien der Text vorgesagt, "nachgesprochen" trifft's daher wohl am ehesten: eine großartige Leistung, vor allem der beiden Herren, nur: Mitunter ging das nicht ganz flüssig vonstatten, was die Verständlichkeit der Wurm-Anschüttungen erschwerte. Die Aufführung (Dramaturgie: Burgchef Matthias Hartmann, der die Wortskulptur ins Kasino am Schwarzenbergplatz holen will) krankt daran, dass sie sich nicht recht entscheiden kann, was sie denn sei: Aufführung, Textreferat oder Künstlerperformance. Auf alle Fälle zu lang. Der Schöpfer der genialen One Minute Sculptures hätte auch beim Schreiben die Würze in der Kürze suchen sollen.
Vermutlich sollte man den Text ohnehin nur lesen und nicht aufführen, um Feinheiten und (Selbst-?)Ironie zu entdecken. So klang's über weite Strecken recht humorbefreit. Gegen Ende war noch einmal von Faulgas die Rede. Die eleganten Damen und Herren kicherten. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 27./28.7.2013)