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Um ein Drittel des üblichen Preises geben Sozialmärkte ihre Ware ab - an Menschen mit weniger als 900 Euro Einkommen im Monat.

Foto: APA/techt hans-klaus

Wien - Manfred Kiesenhofer will Sozialmärkte nicht als Anlaufstelle für sozial Bedürftige sehen. Wer hier einkaufe, helfe dabei, Müll zu vermeiden, und gebe Lebensmitteln eine zweite Chance. "Es ist so viel Aufklärung notwendig." Etwa darüber, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum auf Nahrungsmitteln wenig über ihre tatsächliche Haltbarkeit aussage, sondern lediglich das gesetzliche Ende der Produkthaftung der Hersteller bezeichne.

Symbolische Preise

Kiesenhofer zählt zu den Mitbegründern der ersten Sozialmärkte. Mittlerweile gibt es derer in Österreich fast 70, zunehmend auch in kleineren Bezirksstädten. Sie zehren überwiegend aus Spenden aus Industrie wie Handel und sind in der Regel um zwei Drittel günstiger als traditionelle Supermärkte. Vieles wird kostenlos oder um ein paar symbolische Cent abgegeben. Kunde darf sein, wer mit weniger als 900 Euro netto im Monat auskommen muss.

Es sind vor allem alleinstehende Mütter, die Kiesenhofer bei seinem Soma-Markt in Linz vermehrt ausmacht. 9.000 Oberösterreicher ließen sich bei ihm Einkaufskarten ausstellen, darunter Mindestrentner, Studenten und Arbeitslose. "Stark gestiegen ist die Zahl der jungen Frauen." In Teilzeit arbeiten viele für keine 1.000 Euro monatlich. Die Preise und Fixkosten stiegen, "für Lebensmittel bleibt ihnen immer weniger übrig".

Steigende Mietkosten

Alexander Schiel sieht die stark gestiegenen Mietpreise als Grund für den wachsenden Zulauf in seine drei Wiener Sozialmärkte. Wer früher 200 Euro für eine bescheidene Bleibe zahlte, müsse nun 300 bis 350 Euro aufbringen oder finde gar keine leistbare Unterkunft mehr. Schiel zählt neben Menschen mit Migrationshintergrund zunehmend mehr Österreicher zu seinen Kunden. "Gerade bei Älteren war die Hemmschwelle lange groß, sie fürchten, jemanden zu treffen, der sie kennt." Bei vielen überwiege nun der Spardruck.

Heidi Anderhuber arbeitet von Graz aus seit 2003 für die Vinzi-Märkte. Sie beobachtet seit drei Jahren deutlich steigenden Bedarf an den Sozialeinrichtungen. Auch nehme die Zahl jener zu, die sich zu Monatsende nicht einmal mehr Einkäufe dort leisten könnten.

Finanzielle Gratwanderung

Österreichs Sozialmärkte sind zu fixen Institutionen geworden, und damit auch zur Bühne scharfer Debatten. Sie gelten als treffsicheres Instrument zur Linderung von Armut. Ihr finanzielles Gebaren bleibt jedoch eine Gratwanderung, ohne ehrenamtliche Helfer und Spenden läuft wenig. Nicht selten fehlen ökonomisches Wissen und sichere Lieferanten. Und der Handel mit abgelaufener Ware wurde von manch Soziologen der Uni Wien schon infrage gestellt. Konfliktherde gibt es auch innerhalb der kleinen Branche. Ausgelöst hat sie Schiel, der als Einziger zwei Drittel seiner Lebensmittel zukauft, um nicht auf Spenden allein angewiesen zu sein. Was die verfügbare Ware für andere Märkte vereinzelt verknappt hat.

Dies ziehe Preise nach oben und verzerre den Markt, sagen Kiesenhofer und Anderhuber. Der leide ohnehin unter internationalen Großhändlern, die in großen Mengen aufkauften, was aus dem konventionellen Vertrieb herausfalle.

Supermärkte liefern weniger

Mitbewerb sei wichtig, der Verein Soma werde aber sicher nicht Modellen der Billigdiskonter folgen, sagt Kiesenhofer. "Wir haben Einnahmen", erwidert Schiel, es sei daher angemessen, für die Unkosten der Partner aufzukommen.

Einfacher wird es für die Sozialmärkte jedenfalls nicht, ihre Regale zu füllen. Lang haltbare Grundnahrungsmittel wie Mehl, Zucker, Reis, Nudeln seien oft schwer zu bekommen, sagt Carsten Zech, Betriebsleiter des vom Hilfswerk geführten Soma-Geschäfts in Wien mit 8.000 Kunden. Die Unternehmen hätten zudem gelernt, genauer zu kalkulieren, und produzierten folglich weniger Überschüsse. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 27.7.2013)