"Es ist nicht einfach aufzufallen", fasste Barbara Tóth im "Falter" der vorigen Woche das Problem dreier gewesener Chefredakteure zusammen, die sich eben dafür in der medialen Szene mit einem fast zelotischen Eifer abrackern, indem sie allwöchentlich der "Linken", dem "Staat" und allem, was sonst noch nicht in ihr neoliberal verengtes Weltbild passt, die Maske vom Gesicht reißen. "Dass mitunter die Argumente unter der Zuspitzung leiden - geschenkt. Oder die Seriosität? Wer will schon langweilig sein." Natürlich niemand, auch wenn sich das beim ewigen Wiederkäuen desselben gedroschenen Strohs nur schwer vermeiden lässt. Sie halluzinieren einen "linken Mainstream", worin ein Michael Fleischhacker etwa schon die Gesamtschule, ein Christian Ortner die Sozialpartnerschaft und ein Andreas Unterberger den neuen Papst wittert.

Das Resumee wäre noch unterhaltsamer ausgefallen, hätte die Autorin auch gleich den gewesenen stellvertretenden Chefredakteur Franz Schellhorn mitbehandelt, der mit seinen sonntäglichen Beiträgen in der "Presse" seit längerem in das erlauchte Trio drängt. Von ihm heißt es: "Derzeit baut er die unabhängige Denkfabrik "Agenda Austria" auf". Der Aufbau zieht sich offensichtlich in die Länge. Wenn dem kühnen Unterfangen nur nicht die unabhängige Denkfabrik des Instituts Stronach in die Quere gekommen ist!

Sonntag hat er zwecks wöchentlicher Rettung der Marktwirtschaft vor dem gierigen Staat besonders tief in die Kiste, nämlich aufs finstere Mittelalter zurückgegriffen. Dieses "hatte den Menschen nicht wirklich viel zu bieten. Geboren in armseliger Umgebung, sehr früh gestorben, und in der Zeit dazwischen ausgiebig gehungert und gefroren. Die Winde pfiffen gnadenlos durch die dürftigen Behausungen, warme Kleidung war nicht zu bezahlen, und wer das Privileg hatte, ein wenig Land bewirtschaften zu dürfen, musste seinem "Herrn" zehn Prozent der Ernte abliefern. Im Gegenzug durfte man seinen Kopf auf den Schultern behalten und auf rudimentären Schutz vor durchziehenden Räuberhorden hoffen". Und heute? Nichts als schnöder Undank. Statt froh zu sein, dass man, wenn vorhanden, seine Arbeit abliefern und dennoch "im Gegenzug seinen Kopf auf den Schultern behalten" darf, herrscht Unzufriedenheit mit dem "Wirtschaftssystem der Marktwirtschaft, das mittlerweile mehr Feinde zählt als Freunde". Wenn diesen Verblendeten Schellhorns Hinweis auf das Mittelalter nicht die Augen öffnet, dann wird man wohl alle Hoffnung fahren lassen müssen.

Sein gewesener Vorgesetzter ist sich als Agenda Fleischhacker "unabhängige Denkfabrik" genug, und als solche hat ihm die Monatszeitschrift "Datum" nun eine seinem Charakter angemessene Spielwiese zugewiesen: "Michael Fleischhacker streitet von dieser Ausgabe an regelmäßig für DATUM". Diesmal mit Armin Wolf, der als "so etwas wie die Mutter aller Interviewer, vielleicht sogar die Mutter des österreichischen Gegenwartsjournalismus" eingeführt wurde. Mutter Wolf musste zunächst um ihre Mutterehre kämpfen, indem sie darauf bestand, das Gespräch mit Fleischhacker vor Erscheinen zu autorisieren.

Wie klug das war, sollte sich rasch erweisen. "Was bin ich froh, dass ich das Interview autorisieren lasse!" ächzte die bedrängte Mütterlichkeit, als Fleischhacker mannhaft für die politische Weisheit des ehemaligen Chefredakteurs Mück und deren Durchsetzungsgewalt gegenüber einer unbotmäßigen Redaktion eintrat. "Wenn", so Wolf, "ein Chefredakteur ... der Redaktion über Wochen hinweg erklärt, dass die Geschichte über die Grasser-Homepage keine Geschichte ist, obwohl alle im Raum anwesenden Redakteure der Meinung sind, es ist eine Geschichte" - dann sieht Fleischhacker darin lediglich, "dass man es im ORF als eine Bedrohung der journalistischen Unabhängigkeit empfand, dass ein Chefredakteur mitreden wolle, was eine Geschichte ist und was nicht."

So wurde über Details gestritten, ehe die beiden zum Wesentlichen kamen, zu sich selbst. Fleischhacker bezähmte den steirischen Gutsherren in sich knapp, als er seine "Auszeit" damit begründete: "Der nächste Schritt wäre die pure Verachtung für das - politische - Personal, das da am Werk ist". Das ließe sich ändern, kam Trost von der Mutter: "Geh in dich. Du bist intellektuell flexibel und klug". Doch ihm reicht das nicht. "Ich stehe zu meinem Neid, ich wäre sehr gern so berühmt wie du", denn: "Ich fände es per se schön, berühmt zu sein." Die Hoffnung lebt! (Günter Traxler, DER STANDARD, 27.7.2013)