Ich kann gar nicht alle automobilen Sünden meiner Jugend und Postpubertät schildern, da sind einige dabei, die deutlich am guten Geschmack vorbeischreiten, bei anderen müsste man sich erst über mögliche rechtliche Konsequenzen Gedanken machen. Man würde von diesem Autor jedenfalls keine Zeile mehr lesen wollen. Meinen Eltern blieb das nicht erspart, sie mussten einiges hinnehmen. Und sie wissen gar nicht alles, manches ahnen sie nur, und ab dem Alter von 18 Jahren war ich schließlich selbst für mich verantwortlich.
Meine Mutter sagt mit der Abgeklärtheit ihrer Erfahrung und dem Wissen, dass alles gut ausgegangen ist: "Und dann gab es noch deinen Bruder."
Der hatte auch einiges angestellt. In seiner Kindheit, also im Volksschulalter, beschränkte er sich noch auf theoretische Auto-Destruktionen. Er schrieb einen Aufsatz über den Mann von Frau Gelbke. Frau Gelbke war seine Lehrerin.
Herr Gelbke fuhr in der fiktiven Geschichte einen "Skoda von einem Auto" , das war damals, in den 80er-Jahren, eine echte Beleidigung. Herr Gelbke richtete ein Verkehrschaos an, konnte nicht Auto fahren, rammte andere Autos, geriet dann an unseren Vater. Der machte ihn zur Schnecke. Die Geschichte hatte ihren Höhepunkt erreicht. Im richtigen Leben waren sich die beiden natürlich nie begegnet.
Frau Gelbke, die Lehrerin, hatte leider keinen Humor. Sie lud die Eltern vor. So lernte sie immerhin unseren Vater kennen. Der, so stand es im Aufsatz, einen Ferrari fuhr. Leider war auch das fiktiv. (Michael Völker, DER STANDARD, 26.7.2013)