Bei Frequentis lernen Mitarbeiterkinder für zwei Wochen im Sommer "Schützen und Helfen".

Foto: STANDARD/Regine Hendrich

Wien - Auf dem Gelände der Wiener Firma Frequentis steht ein schüchternes Grüppchen Vier- bis Sechsjähriger um die Notfalltrage eines Rettungswagens. Während ihre Eltern im Gebäude nebenan arbeiten, lernen die Kleinen das Vorgehen bei einem Rettungseinsatz. Auf ihren einheitlich grünen T-Shirts sind eine kleine Ente und der Schriftzug "Frequenty" abgebildet. So heißt das betriebsinterne Betreuungsprojekt, bei dem Mitarbeiter ihre Kinder im Sommer für zwei Wochen in die Obhut der Firma geben können.

"Neun Wochen Schulferien sind eine irrsinnig lange Zeit", sagt Frequentis-Sprecherin Brigitte Gschiegl. Viele Eltern wüssten gar nicht, wohin mit ihren Kindern, und seien deswegen froh, wenn sie sie von der Firma betreuen lassen können. 120 Plätze bietet die Firma ihren knapp 800 Mitarbeitern für beide Wochen an. Die Eltern kostet das rund 90 Euro, was am Ende 20 Prozent der Gesamtkosten ausmacht. Den Rest übernimmt Frequentis. Alle 120 Plätze sind ausgebucht. "Es gibt sogar eine Warteliste", erklärt Gschiegl.

Der Bedarf an betrieblichen Betreuungseinrichtungen in Österreich ist groß, und zwar nicht nur im Sommer, sagt Sonja Dörfler vom österreichischen Institut für Familienforschung. Besonders bei Berufen mit unregelmäßigen Arbeitszeiten, wie in Krankenhäusern oder bei Schichtarbeit in der Industrie, fehle es an passenden Angeboten. "Hier springen dann manchmal die Unternehmen ein. Meistens ganzjährig und für Kinder bis ins Kindergartenalter."

Allerdings würden diese bisher nur einen marginalen Anteil an der Gesamtbetreuung ausmachen: nämlich rund zwei Prozent. Dass Firmen so wenige Plätze bieten, liege an der heimischen Unternehmensstruktur, sagt Dörfler. "Österreich hat vor allem kleine Betriebe, die sich auch keine festen Betreuungsplätze leisten können."

Das bedeute aber nicht, dass es für die keine Möglichkeit der Kinderbetreuung gebe, sagt Ramona Steinmetz von Kompass, einer Initiative zur Förderung von Karenz und Karriere in Oberösterreich.

Kürzere Zeit in Karenz

Kleine Betriebe könnten durch Betriebstageseltern Betreuung schaffen. "Eine Tagesmutter arbeitet dann vier bis 16 Stunden pro Woche in einem Betrieb. Hat ein Unternehmen zwei bis drei Tagesmütter, lässt sich die ganze Woche abdecken." Dies hätte auch große Vorteile für die Unternehmen: "Wir beobachten, dass die Karenzzeit kürzer ist und die Wahrscheinlichkeit für einen Wiedereinstieg höher." Vor allem Frauen würden vermehrt, wenn auch oft in Teilzeit, in den Job zurückkehren, wenn es Betreuungsmöglichkeiten in der Firma gibt.

Das stellt auch Brigitte Gschiegl von Frequentis fest. Ihr eigener Sohn nimmt ebenfalls an Frequenty teil, gehört mit zwölf Jahren aber schon zur älteren Gruppe. Die kleineren beim Rettungswagen haben mittlerweile Mut geschöpft, beginnen Fragen zu stellen und mit dem Werkzeug des Erste-Hilfe-Koffers zu hantieren. Die Betreuerin Susanne Teiler soll ihren Finger in ein Pulsmessgerät stecken. Ihr Herzschlag liegt ruhig bei 95 Schlägen pro Minute: "Es sind ja liebe Kinder", sagt sie und lächelt. (Michel Mehle, DER STANDARD, 26.7.2013)