Bild nicht mehr verfügbar.

Auf Facebook und Co versucht man, die Empörung um den US-Lauschangriff auch humoristisch zu thematisieren.

Foto: Reuters/Kai Pfaffenbach

"Wir waren knapp dran", twittert Justin Amash. "Hätten nur sieben Abgeordnete anders gestimmt, hätten wir es geschafft", schreibt der junge Republikaner aus Michigan - gestern noch ein obskurer Hinterbänkler, heute aber als tapferer Streiter für den Schutz der Privatsphäre im Rampenlicht.

Knapper als gedacht, mit 217 gegen 205 Stimmen, lehnte es das US-Repräsentantenhaus ab, der National Security Agency (NSA) straffere Zügel anzulegen. Mit einer Zusatzklausel zum Budgetgesetz wollte es der Jurist dem Geheimdienst verbieten, ohne konkrete Verdachtsmomente Verbindungsdaten von US-Bürgern auszuforschen - gestattet durch den Patriot Act von 2001 und vor wenigen Wochen publik gemacht durch Edward Snowden. Dessen zweite große Enthüllung, das Ausspähen ausländischer Internetbenutzer, stand nicht zur Debatte.

Wolle die NSA wissen, wer wann mit wem telefoniere, so Amash, müsse die Regierung vor Gericht nachweisen, dass man die Daten benötige, um in exakt skizzierten Fällen ermitteln zu können. Einen Fischzug nach dem Schleppnetzverfahren, ohne konkrete Verdachtsmomente, dürfe es nicht mehr geben. Das Kabinett Barack Obamas, wetterte Amash, setze auf Angst: "Sie erzählen euch, dass man die Rechte amerikanischer Bürger verletzen muss, um uns gegen jene zu schützen, die unsere Freiheit hassen."

Widerspruch kam von Mike Rogers, einem konservativen Südstaatler, der den Geheimdienstausschuss im House of Representatives leitet: "Ist unsere Erinnerung in zwölf Jahren schon so verblasst, dass wir vergessen haben, was am 11. September passierte?"

Dann ist da noch Jim Sensenbrenner, einst Mitstreiter George W. Bushs, nun gewandelt zum resoluten Gegner flächendeckender Überwachung. "Geheimgesetze sind ein Fluch für die Demokratie."

Bemerkenswert sind die Koalitionen, die sich im Streit um die Methoden der NSA herausschälten: Um alles beim Alten zu belassen, arrangierte sich Speaker John Boehner mit seiner Erzrivalin Nancy Pelosi und stramme Konservative verbündeten sich mit Anhängern Obamas. Auf der anderen Seite übten libertäre Individualisten, die dem Staat die Flügel stutzen möchten, den Schulterschluss mit linken Demokraten. Und Amash, 2010 als Freund der Tea Party in den Kongress gewählt, unterschrieb seinen Antrag zusammen mit John Conyers, dem Veteranen der Autoarbeiter-Gewerkschaften.

Am Ende zog sich der Riss quer durch beide Parteien. 111 Demokraten und 94 Republikaner wollten die Befugnisse der NSA einschränken, 83 Demokraten und 134 Republikaner waren dagegen. Ohne die Stimmen der Opposition hätte Obama eine empfindliche Schlappe einstecken müssen.

Überrascht durch das Ausmaß der Rebellion hatte Obama noch kurz vor der Abstimmung NSA-Direktor Keith Alexander ins Parlament beordert, um schwankende Abgeordnete mit vertraulichen Informationen zu versorgen und bei der Stange zu halten. Man dürfe nicht überhastet demontieren, was die Geheimdienste an Antiterrorstrukturen aufgebaut hätten, hieß es aus dem Oval Office. (Frank Herrmann, DER STANDARD, 26.7.2013)