Kevin Micheli, Berufsweltmeister im Kochen.

Foto: Micheli

"Einen Tag nicht in der Küche zu stehen ist für mich ein verlorener Tag." Am liebsten würde Micheli in der Küche von El Celler de Can Roca im spanischen Girona stehen.

Foto: Micheli

Beim Wettbewerb in Leipzig.

Foto: Skillsaustria

Ein Rind erwies sich für Kevin Micheli als goldenes Kalb. Der 22-jährige Vorarlberger, tätig im Restaurant Guth in Lauterach, erkochte sich bei der Worldskills-Berufsweltmeisterschaft in Leipzig mit einem Dreierlei vom Kalb die Goldmedaille. Im Interview mit derStandard.at spricht der Weltmeister über seine Berufung zum Beruf, welche Vorbilder er hat und wo er einmal kochen möchte.

derStandard.at: Wie qualifiziert man sich für die Worldskills?

Micheli: Zuerst muss man die Landesausscheidung im jeweiligen Bundesland gewinnen. Als Sieger darf man dann an der österreichischen Staatsmeisterschaft teilnehmen, wo sich drei Tage lang die Gewinner aus den Bundesländern duellieren. Der Sieger kann zu den Worldskills fahren.

derStandard.at: Wie viele Teilnehmer gab es in Ihrer Disziplin?

Micheli: Es waren 35 Teilnehmer aus 35 Nationen.

derStandard.at: Wie läuft so ein Wettbewerb ab?

Micheli: Gedauert hat es vier Tage. Am ersten Tag wussten wir, dass wir Dreierlei vom Kalb machen müssen, Kalbsbries und Kalbsstelze waren vorgegeben. Das dritte Fleischstück war ein Kalbsfilet. Die Aufgabe war, dazu eine Sättigungsbeilage, zwei Gemüsebeilagen und eine Sauce zu machen. Und viermal drei Stück eines Miniaturdesserts. Hier mussten zum Beispiel Kürbis, Pflaume und Mandel dabei sein. Eine Grundvorgabe war also da, über die Details wurden wir erst vor Ort informiert.

derStandard.at: Kann man sich gezielt vorbereiten?

Micheli: Na ja, zu Tode trainieren nützt natürlich nichts. Wir genießen in Österreich eine gute Ausbildung und arbeiten täglich im Restaurant, das ist die beste Übung. Theoretisch kann man das natürlich hundertmal durchkochen, wir waren aber der Meinung, dass das nichts bringt, und haben alles nur einmal gemacht und mit den Trainern Verbesserungsmöglichkeiten erarbeitet. Insgesamt waren das einige Trainingstage.

derStandard.at: Im Vorfeld wussten Sie also Bescheid, was genau Sie beim Wettbewerb kochen müssen?

Micheli: Wir hatten eine bestimmte Vorgabe, allerdings mit einer 30-prozentigen Veränderung vor Ort.

derStandard.at: Nach welchen Kriterien wird das Essen dann bewertet? Geschmack? Optik?

Micheli: Es geht zum Beispiel um die Zeit. Nach dreieinhalb Stunden mussten wir das erste und nach vier Stunden das zweite Gericht anrichten. Zwei Teller davon gehen in die sogenannte Blindbox zur Blindverköstigung. 17 Juroren haben das bewertet. Ein Teller war für die Zuschauer zum Kosten bestimmt, und ein weiterer ging an die restlichen Jurymitglieder, die auch das Aussehen bewertet haben, also zum Beispiel die Anrichteweise und Sachen wie die Sauberkeit am Arbeitsplatz.

derStandard.at: Gab es eine mentale Vorbereitung?

Micheli: Das gesamte Team Österreich, da waren auch Maler, Maurer und Dreher dabei, hat sich ein paar Mal für zwei oder drei Tage getroffen, um die Teilnehmer mit Hilfe von Mentaltrainern und Betreuern auf die Worldskills vorzubereiten. Der Druck, der auf einem lastet, ist sehr groß, die Konkurrenz ist hart. Da an den vier Tagen über 200.000 Zuschauer dort waren, ist der Lärmpegel enorm. Für die Konzentration und die Vorbereitung war das mentale Training sehr hilfreich.

derStandard.at: Abgesehen von Ruhm und Ehre: Was bedeutet Ihnen der Titel?

Micheli: Es gibt sowieso immer einen, der besser ist als man selbst, deswegen würde ich mich nie als den Besten bezeichnen. Ich bleibe am Boden, aber der Titel kann schon eine Art Türöffner für Spitzenrestaurants sein. Es hilft beim Kontakteknüpfen, und klarerweise ist es schön, Anerkennung zu bekommen.

derStandard.at: Wird der Sieg auch finanziell honoriert? In Form eines Preisgelds?

Micheli: Nein, das gibt es nicht.

derStandard.at: Wie sind Sie zu dem Beruf gekommen?

Micheli: Kochen ist für mich nicht nur Beruf, sondern auch Berufung. Eigentlich eine Passion. Einen Tag nicht in der Küche zu stehen ist für mich ein verlorener Tag.

derStandard.at: Hat sich das schon früh herauskristallisiert?

Micheli: Meine Oma und meine Mutter waren bereits in der Gastronomie, und mein Opa ist auch ein guter Koch. Bei denen habe ich schon früh mitgewerkelt.

derStandard.at: Was fasziniert Sie an dem Beruf?

Micheli: Dass es jeden Tag etwas Neues gibt. Langeweile kommt nie auf, alleine schon bei den Produkten, die wir verwenden. Von der Zucht bis zur Ernte - wir haben den direkten Kontakt zu unseren Bauern. Da ist viel Liebe und Leidenschaft im Spiel.

derStandard.at: Welche Küche bevorzugen Sie?

Micheli: Momentan die norwegische Küche oder auch ganz generell die Küche im gesamten skandinavischen Raum. Und zusätzlich noch die spanische Küche. Das sind derzeit international die Trendsetter.

derStandard.at: In welchem Restaurant würden Sie gerne kochen?

Micheli: In El Celler de Can Roca in Spanien. Das wurde als bestes Restaurant weltweit ausgezeichnet.

derStandard.at: Sie sagen, die Auszeichnung bei den Worldskills könnte sich als Türöffner erweisen. Gibt es bereits Angebote?

Micheli: Ja, die hat es schon en masse gegeben. Zum Beispiel von einem Scheich als Privatkoch oder von Restaurants. Die erste Wahl wäre aber El Celler.

derStandard.at: Aber Sie bleiben noch ein Weilchen im jetzigen Restaurant?

Micheli: Wir haben gerade Hochsaison, in ein paar Wochen werde ich dann entscheiden, was ich weiter machen werde.

derStandard.at: Ziel ist das Ausland?

Micheli: Ja, auf alle Fälle. Es zieht mich in die Ferne.

derStandard.at: Haben Sie Vorbilder?

Micheli: Zum Beispiel die Roca-Brüder von El Celler de Can Roca, Sergio Herman aus der Schweiz oder Claus Peter Lumpp und Roland Trettl, der war mein Chef im Ikarus im Hangar-7. Die haben mich mit ihrem Wissen sehr geprägt.

derStandard.at: Mittlerweile gibt es ja eine ganze Reihe an Promiköchen mit eigenen TV-Shows. Ist das ein Ziel?

Micheli: Natürlich wäre das interessant, wenn man die Chance erhält. Da reinzukommen ist allerdings nicht einfach.

derStandard.at: Was stört Sie am Beruf? Nervige Gäste zum Beispiel?

Micheli: Das sind alles Herausforderungen, wenn Gäste etwa separate Wünsche haben. Einige jammern schon, aber man muss das positiv sehen.

derStandard.at: Kann man als Koch viel Geld verdienen?

Micheli: Wie in beinahe jedem Beruf ist es immer nur die Frage, wie man es angeht und ob man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Vom Grundlohn her sind Beschäftigte in der Gastronomie eher unterbezahlt, aber in der Spitze kann man schon gutes Geld machen.

derStandard.at: Ganz generell: Welche Fähigkeiten braucht man überhaupt, um als Koch erfolgreich zu sein?

Micheli: Wichtig ist eine solide Basis, also das Lernen in einem guten Restaurant. Talent ist wie in jedem anderen Beruf auch bei uns ein Kriterium. Und natürlich die Liebe zum Beruf sowie Kreativität. Dass man Gerichte sieht, die noch nicht einmal auf dem Teller sind. (Oliver Mark, derStandard.at, 30.7.2013)