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Chinas Industrie wächst deutlich langsamer, Ökonomen mahnen Strukturreformen von Asiens größter Volkswirtschaft ein.

Foto: Reuters/CHINA DAILY

Wien - Chinas Regierungsriege ist aus ihrem propagierten "chinesischen Traum" von Wachstum und Wohlstand gerissen worden. Der neue Staatspräsident Xi Jinping hatte den Chinesen mehr Konsumkraft versprochen, dafür weniger opulente Investitionsprojekte zur Konjunkturbelebung auf Pump in Aussicht gestellt. Die neue Formel der Kommunistischen Partei sollte für eine sanfte Landung der Wirtschaft nach den Rekorden in den vergangenen Jahrzehnten mit zweistelligen Wachstumsraten sorgen.

Am Mittwoch aber haben Zahlen zum wichtigen Industriesektor des Landes gezeigt, dass sich der Abschwung verschärft hat. Der Einkaufsmanagerindex ist überraschend weiter gefallen (von 48,2 auf 47,7), weil neue Bestellungen ausgeblieben sind. China, so schätzen Volkswirte, wird dieses Jahr mit 7,5 Prozent so langsam wachsen wie seit 23 Jahren nicht. Das klingt für europäische Ohren nach viel, doch in China ist das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen gemessen an der Wirtschaftsleistung gerade einmal knapp ein Fünftel von Österreich.

Daher schwächt Chinas neue Führung offenbar ihr verkündetes Mantra ab, auf "Qualität" statt auf "Quantität" des Wachstums zu setzen. Nach den schlechten Industriezahlen stellte Peking am Mittwoch neue Konjunkturspritzen in Aussicht, etwa Investitionen in die Bahn oder Hilfe für notleidende Exportfirmen.

Doch vor mehr Stimulus hat zuletzt etwa der Internationale Währungsfonds gewarnt. Wenn China wieder auf Pump wächst, etwa indem mehr Kredit für Investitionen gewährt wird, dann "werden die Bilanzen von Banken, Staat und Unternehmen weiter strapaziert", warnten die Ökonomen in Washington. Erst im Juni hatte eine Kreditklemme am Geldmarkt die Finanzinstitute erschüttert.

Strukturreformen, sonst GAU

Die Volkswirte der japanischen Bank Nomura glauben, dass sich China in einer "Gefahrenzone der Verschuldung" befindet. Denn stets, wenn der Schuldenberg von Unternehmen und Haushalten innerhalb von fünf Jahren um 30 Prozentpunkte gestiegen war, folgte eine Krise. Das war auch in Irland, Portugal oder Griechenland so. "China hat fünf Jahre Zeit, um einen ökonomischen GAU zu verhindern", sagt Diana Choyleva, die für Lombard Street Research in Hongkong die chinesische Wirtschaft analysiert, dem Standard.

Der Kern des Problems schlummert für Choyleva im staatlichen Bankensystem. Geldinstitute vergeben Kredite nach wie vor bevorzugt an staatliche Unternehmen, die oft kaum wettbewerbsfähig sind. "Die Regierung nutzt die Geldhäuser wie Bankomaten, ohne angemessene Zinsen." Daher sei zuletzt immer mehr Geld in unrentable Projekte investiert worden. China riskiere damit eine Wiederholung der Fehler von Asiens zweitgrößter Volkswirtschaft Japan, die 1990 vom Platzen der Immobilien- und Finanzmarktblase in jahrzehntelange Stagnation gestoßen wurde.

Baustopp für die Provinz

Gut dokumentiert ist heute in China etwa eine Reihe von Geisterstädten, so die hochgezogene Stadt New Ordos in der Inneren Mongolei. Eine Reihe dieser Gemeinden musste zuletzt Zahlungsschwierigkeiten beim Rückzahlen der milliardenschweren Kredite einräumen. Chinas Regierung steuerte am Mittwoch gegen. Peking hat den Provinzhauptstädten einen fünfjährigen Baustopp verordnet.

Ohne Liberalisierung des Bankensektors könne das Land sein Ziel, die Konsumenten zu stärken, nicht erreichen. In der Vorwoche kündigte die Zentralbank weitreichende Reformen der Kreditzinsen an, die künftig frei von den Banken gesetzt werden dürfen. Wichtiger sei aber eine Reform der Einlagenzinsen, die aktuell künstlich niedrig sei, sagt Choyleva. Immerhin sparen die privaten Haushalte fast die Hälfte ihres Einkommens, zu mageren Zinsen. "Wenn der Konsum zunehmen soll, muss aber das Einkommen der Bevölkerung steigen", gibt Choyleva zu bedenken. Sie erwartet "Schmerzen" auf dem Weg zum chinesischen Traum, weil "höhere Zinsen viele staatsnahe Betriebe und Banken insolvent machen werden". (Lukas Sustala, DER STANDARD, 25.7.2013)