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Alles handgemacht und dennoch um richtig wenig Geld zu haben.

Foto: Thomas Santalab / All Canada Photos / Corbis

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In Dim-Sum-Restaurants wie dem One Dim Sum werden die filigranen Köstlichkeiten der Kanton-Küche, wie es sich gehört, zu Tee gereicht.

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Michelin-Sterne für ein Menü unter 20 Euro - dafür steht man gerne an, in einer Hochpreisstadt wie Hongkong schon gar.

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Das One Dim Sum in Kowloon.

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Der Dim-Sum-Tempel Tim Ho Wan.

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Ein Markt in Shau Kei Wan, wo sich auch das vielgepriesene Hin Ho Curry befindet.

Das Spektrum reicht von klassischen Dim-Sum-Tempeln über einfache Garküchen bis zu Restaurants, die sich der nordindischen Küche widmen - günstig sind sie aber durch die Bank.

Als Michelin vor ein paar Jahren beschloss, den Fokus seiner "Guides rouges" verstärkt auf die lukrativen Märkte Ostasiens zu legen, war das zwar einerseits schlecht für Österreichs Großköche, die fortan ohne eigenen Michelin auskommen mussten, anderseits aber gut für Asien-Reisende. Und ganz besonders für solche, die sich in Hongkong ins Gewurl der meist winzigen Garküchen werfen wollen.

Nach anfänglicher Schelte, dass sich der Führer für Hongkong zu sehr auf europäische Spitzenrestaurants konzentriere und die Tester de facto keine Ahnung von der Vielfalt der lokalen Küchentraditionen hätten, die oft in winzigen Kaschemmen zu höchster Meisterschaft geführt werden, reagierte das Management erstaunlich schnell. So sind in der aktuellen Hongkong-Ausgabe des einst als Ratgeber für Autofahrer gegründeten Guides nun zahlreiche Adressen vermerkt, an denen man um oft erstaunlich wenig Geld Dim Sum und Wontons, Currys und Suppen verkosten kann. Vieles davon in atemberaubender Qualität.

Causeway Bay und Kowloon

Schon die erste Adresse verheißt Großartiges für Gaumen und Brieftasche. Dabei ist das hypernoble Shoppingviertel Causeway Bay eine Gegend, die (vielleicht mit Ausnahme der New Yorker Fifth Avenue) die teuersten Mieten weltweit vorweisen kann. Vom ehemaligen Fischerdorf ist nichts mehr zu sehen, zu dicht stehen Hochhäuser nebeneinander: Gebäude, die an den tief sitzenden Wolken nicht nur kratzen, sondern sie regelrecht durchbohren.

Wer gut und preiswert essen will, sollte aber nicht in die Luft gucken, sondern sich schleunigst in die Sharp Street East verfügen. Ganz unscheinbar versteckt sich Ho Hung Kee, ein kleines, von Michelin empfohlenes Lokal. Gleich beim Eingang wird man flankiert von zwei Küchen, in denen einerseits der Reisbrei Congee und anderseits Nudeln zubereitet werden. Die Einrichtung ist denkbar einfach gehalten. Das Lokal wird von Geschäftsleuten, Touristen und Einheimischen gleichermaßen frequentiert und ist mit rund 30 Sitzplätzen speziell zur Mittagszeit recht schnell voll.

Sehr mild und unaufdringlich ist die als Spezialität des Hauses angepriesene Wonton-Suppe. Die feine Aromatik der Brühe hebt jedoch die Frische der Füllung der Teigtaschen hervor, wunderbar. "Deep Fried Wonton in Sweet and Sour Sauce" bestechen durch knusprigen Biss, der jede Fritter-Fettigkeit zum Glück vermissen lässt. Dazu passt gedämpftes Gemüse (Chai Sum oder Blattkohl), welches mit Austernsauce gereicht wird. Etwas gehaltvoller geraten die Reisnudeln mit Rind in einer grandiosen Sauce aus schwarz fermentierten Bohnen und Pfeffer. Der Gesamtpreis für die Speisen (reicht locker für zwei bis drei Personen) liegt gerade einmal bei 24 Euro, Tee ist da schon inbegriffen.

Als nächster Stützpunkt lockt One Dim Sum in Mong Kok, auf der vergleichsweise bodenständigen Halbinsel Kowloon. Um den Laden zu finden, muss man schon ein Stück Richtung Norden spazieren, bis die Einkaufshöhlen sich lichten. Dann freilich erwarten einen Speisen, die wunderbarer nicht sein könnten. Zuerst aber heißt es warten, sogar um fünf Uhr nachmittags bildet sich vor dem Lokal eine Schlange. Und recht haben sie, die Leute, denn das Warten lohnt sich hier in doppeltem Sinne. Selbst wer richtig knapp bei Kasse ist und zu zweit nicht mehr als acht oder zehn Euro ausgeben will, kann sie hier wunderbar verbraten. Etwa für raffiniert zart und fein gewürzte Bällchen aus Rindsfaschiertem mit Minze, in einen zarten Mantel aus getrockneter Sojamilch gehüllt, für herzhafte Kutteln mit herrlichem Biss, für Tintenfische in einer leicht pikanten Currysauce, für gedämpfte Reisnudeln von klebriger und doch bissfester Konsistenz, die mit Rindfleisch gefüllt und mit unbeschreiblich delikater Sauce getoppt sind.

Schlange stehen

Anstellen ist auch beim Dim-Sum-Restaurant Tim Ho Wan angesagt, dafür wird man sich schwertun, hier mehr als 25 Euro für zwei Personen auszugeben. Kein Wunder, dass sich die Einheimischen bereits Spätvormittags vor dem Lokal anstellen, um einen Sitzplatz zu ergattern. Zur Verkürzung der Wartezeit werden schon im Freien gelbe Zettel verteilt, auf denen die Wartenden ihre Menüwünsche ankreuzen - die dann auch sehr prompt bei Tisch serviert werden. Die Delikatessen, die zwischen einem Euro und zwei Euro kosten, sind hier etwa "Glutinous Rice Dumpling", "Steamed Fresh Shrimp dumplings (ha jiao)", "Pan fried green pepper filled with mixed fish and pork", "Vermicelli roll stuffed with beef" oder "Sweet black sticky rice cream with corn". Spitzenreiter in Preis wie Nachfrage sind aber "Mun Chicken feet with abalone sauce" - die Sauce ist köstlich, die Freude an den herrlich gallertigen und doch auch knackigen Füßlein gehört für unsereins Langnasen halt eindeutig zu jener Art von Genuss, die man sich erst erarbeiten muss.

Ein weitere Gelegenheit, sich ein Michelin-Schnäppchen zu gönnen, bietet der District Shau Kei Wan, wo dicht an dicht Restaurants bester Güte aufgereiht sind. Der rote Guide empfiehlt Hin Ho Curry, wo indische Spezialitäten aus dem Tandoori-Ofen, unzählige raffiniert abgemachte Currys und Dahls auf dem Programm stehen. Wie bei den vorher genannten Lokalen ist frühzeitiges Kommen ratsam: Die Gäste sind bunt durchmischt, wenngleich wochentags speziell Schüler einer nahen Schule auszumachen sind, die ihr Taschengeld offenbar am liebsten in gutes Essen anlegen. Die Preise im Hin Ho Curry sind zwar etwas höher als in den anderen Lokalen, bleiben aber durchaus fair. Immer noch sind weniger als zehn Euro zu veranschlagen, um seinen Wohlfühlbauch verwöhnen, für Extravaganzen bieten sich aber auch Tandoori King Prawns um 20 Euro pro Portion an.

Nach so einer Gourmettour durch eine der gastronomisch aufregendsten Städte der Welt hat man Routine im Schlange Stehen gewonnen, herausragend und exotisch gegessen und schlagkräftige Argumente gesammelt. Und zwar für den Fall, dass einem heimische Köche wieder einmal erzählen wollen, dass ihre Kreationen im internationalen Vergleich eh total unterbezahlt seien. (Philipp Braun, Rondo, DER STANDARD, 25.7.2013)