Washington/Austin - An den Küsten der Antarktis schmelzen Teile des Permafrostbodens schneller als gedacht - selbst Bereiche, die bislang stabil waren. Verantwortlich dafür ist eine verstärkte Sonneneinstrahlung in dem Gebiet, berichten Forscher im Fachblatt "Scientific Reports". Wenn dazu noch im Laufe des Jahrhunderts die prognostizierte Erwärmung kommt, könne das Bodeneis künftig noch deutlich schneller abtauen und die Landschaft sich durch sogenannten Thermokarst dramatisch verändern: Einen Prozess, bei dem sich der Boden durch die Auflösung des Eises senkt. In den Senken sammeln sich Gewässer an, die den Effekt dann weiter verstärken.
Joseph Levy vom Institut für Geophysik der University of Texas in Austin und seine Mitarbeiter hatten Zeitraffer-Fotos und Daten von speziellen Lasermessungen aus dem Garwood Valley ausgewertet, einem der eisfreien antarktischen Trockentäler. In diesen Tälern kommt Eis vor allem im Boden vor - gemischt mit gefrorener Erde oder begraben unter dicken Sedimentschichten. Die Forscher stellten fest, dass das Bodeneis zwischen 2001 und 2012 kontinuierlich abgeschmolzen ist, und zwar mit jedem Jahr schneller. Bisher hatten Wissenschafter angenommen, dass die Eismassen im Boden dieser Region stabil seien. Die Schmelzraten seien inzwischen jedoch mit denen aus der Arktis vergleichbar, wo ein Abtauen des Permafrost seit längerem beobachtet wird.
Schmelze auch ohne Erwärmung
Steigende Temperaturen scheiden als Grund für den Eisverlust aus, berichten die Wissenschafter. Zwischen 1986 und 2000 sei es in der Region sogar kühler geworden, seitdem seien die Temperaturen auf gleichem Niveau geblieben. Die Forscher um Levy vermuten, dass das Eis schmelze, weil mehr Sonnenlicht auf dem Boden ankomme. Dies wiederum sei die Folge eines veränderten Wettergeschehens.
Helle Oberflächen von Gletschern oder großen Eisflächen reflektieren das Sonnenlicht, schreiben die Forscher weiter. Die dunkleren Oberflächen des schmutzigen Bodeneises hingegen absorbiere die Sonnenstrahlung. Und während dicke Sedimentschichten darunter liegendes Eis gut isolierten, hätten dünnere Sedimentschichten den gegenteiligen Effekt: Das Eis darunter würde regelrecht "gekocht". Das führe dazu, dass sich im Boden Buckel und Senken bildeten. Das Abschmelzen des Permafrosts hinterlasse somit sichtbare Spuren in der Landschaft.
Der Großteil der antarktischen Eismassen kommt in Form von Gletschern oder Eisfeldern vor. In den durch Erosion geschaffenen Trockentälern, auf der Antarktischen Halbinsel oder den gletscherfreien Inseln gebe es jedoch ausgedehnte Bodeneis-Flächen. "In diesen niedrig gelegenen Küstenzonen ist eine Menge Eis begraben und es ist davon auszugehen, dass es schmelzen wird", sagte Jospeh Levy.
Kohlendioxid-Freisetzung
Das Abschmelzen der Permafrostböden kann den Klimawandel neueren Untersuchungen zufolge erheblich beschleunigen. Einer Berechnung aus dem Jahr 2011 zufolge könnten die arktischen und antarktischen Böden bis zum Ende des Jahrhunderts ähnlich viel Kohlenstoff freisetzen wie die weltweite Abholzung. Die Auswirkungen auf unser Klima wären wegen der hohen Methankonzentration jedoch zweieinhalb Mal größer, berichteten internationale Experten des "Permafrost Carbon Research Network" damals in der Zeitschrift "Nature". (APA/red, derStandard.at, 24. 7. 2013)