Sie sind aufgestellt wie zu einem großen Familienporträt: Plattenspieler, Rasierer, Fruchtpressen, Höhensonnen, Radios, Diaprojektoren, Filmkameras, Blitzgeräte, Mixer, Kaffeemühlen, Lautsprecher ... - ein Sammelsurium an Produkten, möchte man meinen.
Zusammengehalten allerdings sind sie durch ein erstaunliches Paradoxon: Sie ähneln einander, sind in ihrem klaren, reduzierten Aussehen vom gleichen Geist beseelt. Zugleich sieht man, spürt man, wie sie in ihren unterschiedlichsten Anwendungen je optimal zu benutzen sind. Beim einen weiß man sofort, wie damit Kaffee zu mahlen ist, beim anderen, wie man FM oder AM einstellt. Keine Komplikationen, pure technische Eleganz.
Nicht irgendein Industriedesigner
Das Foto, eines von unzähligen, zeigt die Geräte des Unternehmens Braun in seiner besten Zeit, um 1970, und es ziert ein neues Buch über Dieter Rams. Rams, geboren 1932, ist nicht irgendein Industriedesigner, sondern einer der einflussreichsten der Nachkriegszeit. Und So wenig Design wie möglich (Phaidon-Verlag) ist nicht irgendein weiteres Buch über ihn, sondern ein besonders gründliches und umfangreiches.
Es erzählt von der Karriere des Gestalters, bettet sie ein in die Unternehmensgeschichte, verknüpft sie mit dem Erbe vom Bauhaus und der Ulmer Hochschule für Gestaltung. Es gibt auch Einblicke in die Arbeiten von Rams für den Möbelhersteller Vitsoe, zeigt sein Haus mitsamt Interieurs unweit der Braun-Zentrale in Kronberg bei Frankfurt, und vor allem führt es anhand unzähliger Bilder die wunderbaren Details vor, die seine Entwürfe über Jahrzehnte unverwechselbar gemacht haben.
Ein von Rahms-Verehrern gestaltets Buch
Rams kommt ebenfalls zu Wort, mit seinen Thesen (zentral ist die, die der Buchtitel zitiert) und mit seinen nüchternen Gedanken zum Beruf: Design ist "so wenig eine Kunst wie Medizin, Maschinenbau oder Jura", also vielmehr gründliches technisches Können und Verständnis.
Das gewichtige Buch, von der Engländerin Sophie Lovell geschrieben, wurde von Rams-Verehrern gestaltet. Man spürt das bereits, wenn es mit seinem Punkt-geriffelten Umschlag haptisch gut in der Hand liegt wie ein intelligent entworfener Rasierer oder Taschenrechner.
Und das Vorwort schrieb jemand, der sich erinnert, wie er schon als Kind in London von Form und Funktion der elterlichen Fruchtpresse Braun MPZ2 beeindruckt war und der heute, immer noch ein Fan, das Werk von Dieter Rams in die digitale Ära hinübergerettet hat und selber einer der bedeutendsten Formgeber geworden ist: der Apple-Chefdesigner Jonathan Ive. (Michael Freund, Rondo, DER STANDARD, 26.7.2013)