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Syrische Rebellen der Free Syrian Army in den zerstörten Straßen von Deir al-Zor. Seit dem Beginn des Konflikts vor über zwei Jahren sind nach UN-Schätzungen über 100.000 Menschen ums Leben gekommen.

Foto: Reuters / Karam Jamal

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Warnt vor ungewollter Hilfe für Extremisten: Martin E. Dempsey.

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Aus jeder Zeile spricht die Vorsicht eines gebrannten Kindes: In einem offenen Brief hat der Generalstabschef der amerikanischen Streitkräfte Pro und Contra eines militärischen Eingreifens in Syrien abgewogen, ausführlicher als je zuvor.

"Sobald wir handeln, müssen wir gefasst sein auf das, was als Nächstes kommt", schreibt Martin E. Dempsey und warnt eindringlich davor, Fehler zu wiederholen, wie sie die USA im Irak begingen. Die Fehler einer Invasion, die zwar 2003 zum raschen Sturz Saddam Husseins führte, zugleich aber zum Kollaps staatlicher Strukturen und damit zu bürgerkriegsähnlichem Chaos.

Unbeabsichtigte Folgen

"Wir müssen damit rechnen, dass unser Handeln unbeabsichtigte Folgen hat", doziert der Viersternegeneral, auch im Falle Syriens. Sollte das Regime Bashar al-Assads zusammenbrechen, ohne durch eine starke Opposition ersetzt zu werden, könnte man ungewollt Extremisten in die Hände spielen. Fünf denkbare Varianten eines Eingreifens zählt Dempsey auf, die Bewaffnung und Ausbildung der Rebellen, gezielte Luftschläge gegen strategische Ziele, eine Flugverbotszone, geschützte Enklaven an den Grenzen Syriens und die Sicherung chemischer Waffen.

Ganz freiwillig lässt der Autor seine Analyse freilich nicht zirkulieren. Der alte Falke John McCain, einer der eifrigsten Fürsprecher einer Intervention, hatte angedroht, Dempsey gegen eine Wand laufen zu lassen, falls er nicht endlich Farbe bekenne. Demnächst muss der Senat darüber befinden, ob der Stabschef für weitere zwei Jahre auf seinem Posten bleibt. Was als reine Routine begann, wurde zu einem kleinen Drama, als McCain laut mit dem Gedanken spielte, die Verlängerung zu blockieren, falls Dempsey auf präzise Fragen nicht präzise Antworten gebe, statt sich hinter Allgemeinplätzen zu verstecken.

Kein rasches Ende

Das Ergebnis ist das detaillierteste Papier zur US-Syrien-Strategie, das die Öffentlichkeit zu lesen bekommt, seit das Weiße Haus im Juni die Bewaffnung moderater Rebellenmilizen ankündigte.

Dass Amerikas Militärspitze nicht an ein rasches Ende Assads glaubt, hat Dempsey gerade erst bei einer Anhörung im Kongress deutlich gemacht. Im Augenblick scheine sich die Kräftebalance in Richtung des Diktators zu verschieben, bilanzierte er und orakelte, Assad werde wohl auch in zwölf Monaten noch an der Macht sein. Jay Carney, der Sprecher von Präsident Barack Obama, lässt seinerseits durchblicken, dass sich Washington auf absehbare Zeit auf eine Art Klein-Syrien einstellt, einen Rumpfstaat unter der Herrschaft des Autokraten, der sich von Damaskus über Homs bis zu den Alawiten-Hochburgen am Mittelmeer erstreckt.

Folgt man dem Wall Street Journal, sollen die ersten Waffenlieferungen, organisiert unter Ägide der CIA, frühestens im August bei der Guerilla eintreffen. Insgesamt ergibt es das Bild einer Taktik der kleinen Schritte, halb abwartend, halb ratlos. Dazu passt, dass nun Dempsey vor allem vor den Risiken warnt.

Kostspielige Flugverbotszone

Eine Flugverbotszone, so der General, würde den Einsatz Hunderter Flugzeuge erfordern und in Zeiten eines strikten Sparkurses enorme Kosten verursachen, anfangs rund 500 Millionen, später rund eine Milliarde Dollar pro Monat. Ihre Wirkung sei indes fraglich, denn Assads Armee stütze sich im Kampf gegen die Rebellen mehr auf Artillerie-Geschütze und Raketen als auf Kampfjets.

Eine Alternative wären Pufferzonen an den Grenzen zur Türkei und Jordanien. Um die Enklaven zu schützen, müsste Obama allerdings Bodentruppen ins Konfliktgebiet beordern, mehrere Tausend Soldaten, wahrscheinlich zu stationieren auf türkischem oder jordanischem Boden.

Und: "Solche Zonen könnten Operationsbasen für Extremisten werden". Durchaus durchführbar, so Dempsey, seien Kommandoaktionen gegen syrische Chemiewaffenlager, nur würde man in keinem Fall das komplette Arsenal unter Kontrolle bringen. Die Folge wären Wirren, die Fanatikern den Zugang zu C-Waffen erleichtern könnte. (Frank Herrmann, DER STANDARD, 24.7.2013)