STANDARD: Was bewegt einen jungen Menschen, in die Politik zu gehen – und den Einstieg über eine unbekannte Splittergruppe zu versuchen?

Knauseder: Zur Politik bin ich durch mein Studium der Internationalen Entwicklung gekommen – und da war ich in engem Austausch mit Menschen, die sich auch engagieren wollen. So bin ich auf den Wandel angesprochen worden. Das Thema, das uns sehr beschäftigt: die Verknüpfung von Wirtschaftspolitik und Umweltpolitik, die Förderung von erneuerbaren Energien, wird meiner Meinung nach zu wenig adressiert – das gilt auch für die Grünen.

Julia Knauseder engagiert sich bei Der Wandel.

STANDARD: Das heißt: Es braucht eine moderne Wirtschaftspartei?

Knauseder: Es braucht eine Partei, die Wirtschaft versteht, die den Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Umwelt versteht und die auch eine Wirtschaft fördert, die für den Menschen gemacht ist und nicht umgekehrt.

STANDARD: Sie wollen "von innen heraus" als Unternehmensberaterin die Wirtschaft im Kleinen verändern. Wie kommt denn das bei Unternehmen an, wenn eine junge, sozial und politisch engagierte Frau rät: Ihr müsst nachhaltig wirtschaften!

Knauseder: Es gibt durchaus auch innerhalb der Unternehmen einen Wandel. Gerade Großunternehmen verstehen, dass sie sich dadurch nicht nur profilieren, sondern dadurch auch Effizienzpotenziale nutzen können – gerade in Zeiten, wo Ressourcen teurer werden, wo Energie teurer wird, ist das auch ein wirtschaftliches Kalkül. Der Wandel passiert aber auch in der Zivilgesellschaft – bei Organisationen, die sich dafür einsetzen, dass Unternehmen auch zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie negative Umweltauswirkungen oder negative Sozialauswirkungen haben. Da reagieren Unternehmen auch drauf.

STANDARD: Wie aber bringen Sie das an potenzielle Wähler heran – als kleine Partei können Sie ja nicht klassisch wahlkämpfen. Da haben Sie ja auch ein Ressourcenproblem.

Knauseder: Absolut. Das Ressourcenthema betrifft uns auch – im Vergleich zu anderen Parteien. Aber da stehen wir auch klar dazu: Wir wollen nicht die Partei mit dem großen Budget sein, sondern die Partei, die die Themen aller Menschen anspricht. Wir kommen aus der Gesellschaft, wir sind alle nicht aus der Politik – ich glaube, das ist wichtig zu sagen. Und wir wollen die Themen ansprechen, die der Bevölkerung im Moment Angst verursachen: immer mehr Armut, sinkende Sozialleistungen, stagnierende Löhne, Jugendarbeitslosigkeit – die Probleme bei der Bildung und im Gesundheitswesen. Auf der anderen Seite passieren Dinge, die keiner versteht: Für die Bankenrettung werden Milliarden Euro freigeschaufelt, mehr als 3000 Banker verdienen mehr als eine Million Euro, und eine kleine Gruppe Vermögender hat trotz der ganzen Krisen ihr Vermögen erhöht. Diese Themen werden von niemandem angesprochen.

Julia Knauseder ist es nicht so wichtig, ins Parlament zu kommen, Hauptsache, die wichtigen Fragen werden überhaupt angesprochen.
Foto: STANDARD/Bogner

STANDARD: Wirklich? Was Sie da eben aufgezählt haben, wird Tag für Tag von der Gewerkschaft angesprochen!

Knauseder: Das ist richtig, die Gewerkschaft adressiert einige Botschaften, aber es geht unter in der politischen Diskussion. Uns geht es um die Zusammenhänge.

STANDARD: Sind Sie Mitglied der Gewerkschaft?

Knauseder: Nein.

STANDARD: Warum nicht? Sie sind doch Arbeitnehmerin und engagieren sich genau für die Themen, die die Gewerkschaft behandelt.

Knauseder: Ich bin Arbeitnehmerin und engagiere mich im Unternehmen auch dafür, dass Arbeitnehmer fair behandelt werden. Aber meine politische Bühne ist der Wandel.

STANDARD: Kann Der Wandel mehr bewirken als die Gewerkschaft?

Knauseder: Der Wandel wird auf anderen Ebenen etwas bewirken. Wir wollen in der breiten Bevölkerung die Themen ansprechen – die Gewerkschaft konzentriert sich ganz auf Arbeitnehmer, wir haben aber auch das ökologische Thema und die Regulierung des Finanzmarktes im Blick. Und zwar über die österreichische Politik hinaus.

STANDARD: Das ist ein hoher Anspruch: internationale Politik zu machen – und gleichzeitig bangen zu müssen, ob man genügend Unterstützungserklärungen bekommt, um überhaupt zur Wahl antreten zu dürfen!

Knauseder: Das ist richtig, wir hätten auch auf anderen Ebenen anfangen können. Ich persönlich habe ja auch schon bei den Vereinten Nationen gearbeitet. Aber ich glaube, dass hier und jetzt die Zeit für eine neue, wählbare Alternative auf der linken Seite des Spektrums reif ist. Und ich glaube, dass wir als junge Menschen eine Bewegung aus Österreich herausbilden können, die dann Größeres bewirken kann.

STANDARD: Wo finden Sie Unterstützer? Geht man da auf den Viktor-Adler-Markt?

Knauseder: Wir tun uns im urbanen Raum sicher etwas leichter. Unser Forum ist die Straße, sind Märkte, Parks. Wo junge Menschen sind – und ältere, die eine Beziehung zur Natur haben. Junge Familien, die wissen, dass die Zukunft im momentanen System für sie nicht rosig ist. Wir sprechen mit diesen Menschen, die von der aktuellen Politik enttäuscht sind.

STANDARD: Das tun andere Kleinparteien auch, etwa die Piraten.

Knauseder: Wir unterscheiden uns da durchaus, weil es uns um inhaltliche Arbeit geht und nicht nur um Basisdemokratie – unser Programm ist zwar durchaus transparent und inklusiv unter Einbeziehung von Leuten von außen entstanden, aber Basisdemokratie allein ist uns zu wenig. (Conrad Seidl, DER STANDARD, 24.7.2013)