Der Dachausbauboom findet in Wien nur partiell statt: in sehr zentraler Lage, auf Häusern, die nach 1914 gebaut wurden. In vielen Gründerzeitvierteln sind Aufstockungen nur bedingt möglich.

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Wien - In der Debatte um mehr leistbaren Wohnraum rücken in Wien meist Neubauten am Stadtrand ins Zentrum. Zu Unrecht, findet Hans Jörg Ulreich, Sprecher der Initiative "Pro Bauen". "Es müsste endlich ein klares politisches Bekenntnis zur innerstädtischen Verdichtung geben."

Denn in Gürtelnähe gibt es laut Ulreich noch jede Menge ausbaufähige Flächen - vor allem ganz oben. "Unter den Dächern der Gründerzeithäuser brächte man die Bevölkerung einer Stadt wie Graz unter." Die restriktiven Gesetze führten allerdings dazu, dass dieser Raum vielfach ungenutzt bleibe.

Partieller Boom

"Pro Bauen" setzt sich aus der Immobilien-Fachgruppe in der Wirtschaftskammer, dem Forschungsverband der Baustoffindustrie und dem Verband der Baustoffhändler zusammen. Gemeinsam fordert man vom Rathaus mehr Engagement bei der Lösung des Wohnproblems - unter anderem durch Lockerung der Bestimmungen für Aufstockungen. "Man müsste da wesentlich mehr Ausnahmen ermöglichen - oder Umwidmungen vornehmen", sagt Ulreich, der selbst einige Dachprojekte realisiert hat.

Denn der aktuelle Dachwohnungsboom findet nur partiell statt: in sehr zentraler Lage, meist auf Häusern, die nach 1914 gebaut wurden. Denn ein Gutteil der Gründerzeithäuser steht heute auf Flächen, die in den 1980ern gewidmet wurden - einer Zeit, in der Wien schrumpfte. Inzwischen wächst die Stadt. Damit die Wohnpreise nicht davongaloppieren, sind rund 8000 Wohnungen pro Jahr nötig.

Redimensionierungen

Flächenwidmungen, die in bevölkerungsärmeren Jahren vorgenommen wurden, führen dazu, dass viele Häuser nur bedingt aufgestockt werden können. In schrumpfenden Stadtvierteln wurden Redimensionierungen vorgenommen: Statt höchstzulässiger 21 Meter (Bauklasse 4) sind - trotz als breit eingestufter Straße vor der Haustür - oft nur 16 Meter (Bauklasse 3) möglich.

"Das macht bei einem Dachausbau flächenmäßig einen gravierenden Unterschied", sagt Ulreich. Für die Anrainer seien hingegen keine negativen Folgen durch höhere Nachbarhäuser zu erwarten. "Die Politik fürchtet sich trotzdem vor jedem einzelnen, der sich vielleicht aufregen könnte."

Eine neue Bauordnung für Wien ist derzeit in Arbeit. Sie soll in zwei Wochen präsentiert werden. Das neue Regelwerk beinhaltet, so ein Sprecher von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SP), auch Lockerungen im Bereich Dachausbauten: So sollen Häuser, die sich laut Flächenwidmung zu einem sehr kleinen Teil auf Verkehrsflächen befinden, im Unterschied zur derzeitigen Regelung künftig ebenfalls dachausbaufähig sein. Bei thermisch sanierten Häusern ist zudem eine Überschreitung der zulässigen Gesamthöhe um 20 Zentimeter möglich.

Generelle Aufstockung unerwünscht

Die generelle Aufzonung von Gründerzeitgrätzeln sei allerdings nicht erwünscht, sagt der grüne Wohnbausprecher Christoph Chorherr. "Denn das würde dazu führen, dass viele Bauträger alte Häuser abreißen lassen, um dann noch mehr Wohnungen in einen Neubau zu pferchen." Qualitativ hochwertige Dachausbauten auf Gründerzeithäusern werde man aber auch künftig unterstützen.

Unterstützenswert erscheint Rot-Grün offenbar auch der Expertenvorschlag, bei der Umwidmung von Brach- in Bauland künftig einen Spekulationsriegel vorzuschieben: Wird innerhalb einer bestimmten Frist (etwa fünf Jahre) auf der Fläche nicht gebaut, könnte künftig die Umwidmung rückabgewickelt werden. Dies soll das Angebot erhöhen und die Preise dämpfen. Laut Chorherr fasst Wien diese Regelung "sehr stark ins Auge". (Martina Stemmer, DER STANDARD, 19.7.2013)