In Jerusalem und in Ramallah wurde Donnerstag spekuliert, dass US-Außenminister John Kerry vielleicht bald die Wiederaufnahme von israelisch-palästinensischen Verhandlungen verkünden könnte. Alles schien von der Einwilligung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas abzuhängen, der für den Nachmittag in Ramallah eine dringliche Sitzung mit der Führung der PLO und der Fatah-Partei einberufen hatte - anscheinend um deren Zustimmung zu Kerrys Vorschlag einzuholen. Heute, Freitag, sollten die Beratungen fortgesetzt werden.
Kerry hatte seinen Aufenthalt in der nahen jordanischen Hauptstadt Amman verlängert, wo er seit Dienstag zweimal mit Abbas zusammengetroffen war. Israels Präsident Shimon Peres bestätigte, dass man sich in "wirklich kritischen Tagen" befinde: "Israelis und Palästinenser unternehmen die höchste Anstrengung, die letzten Hindernisse zu überwinden." Deshalb solle die EU mit ihren neuen Richtlinien, die israelische Einrichtungen im Westjordanland und in Ostjerusalem ausgrenzen, "noch ein paar Wochen warten", denn sie "könnten die Chance, zu Friedensverhandlungen zu gelangen, verzögern".
Kerry setzt auf beharrliche diskrete Pendeldiplomatie. Seit seinem Amtsantritt im Februar reiste er schon sechsmal in den Nahen Osten - öfter als seine Vorgängerin Hillary Clinton in deren gesamter Amtszeit. Einer seiner Sprecher betonte am Donnerstag allerdings, gegenwärtig gebe es keine Pläne, eine Wiederaufnahme der Gespräche anzukündigen.
"Bedeutend verringert"
Hinweise auf einen möglichen Durchbruch hatte der US-Minister am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Amman selbst geliefert: "Als dieser Prozess vor einigen Monaten begann, gab es sehr große, sehr bedeutende Abstände zwischen den beiden Seiten", sagte Kerry. "Durch harte, entschlossene, geduldige, vor allem stille Arbeit haben wir diese Abstände in sehr bedeutendem Maß verringern können."
Bei einem Treffen mit neun arabischen Außenministern hatte sich Kerry auch die Unterstützung der Arabischen Liga für sein Konzept geholt, was Abbas das Nachgeben erleichtern sollte. In einer Entschließung erklärten die Staaten, Kerrys Vorschläge seien "eine gute Grundlage und schaffen ein angemessenes Umfeld für einen Neubeginn der Verhandlungen".
Ernsthafte Verhandlungen waren zuletzt Ende 2008 geführt und nicht mehr fortgesetzt worden, nachdem Israels damaliger Premier, Ehud Olmert, zurücktreten musste. Die kurze Wiederaufnahme im September 2010 nach einem von Israels Premier Benjamin Netanjahu verkündeten partiellen Siedlungsausbaustopp gilt als bedeutungslos.
Netanjahu hatte seither regelmäßig "direkte Verhandlungen ohne Vorbedingungen" gefordert. Abbas blieb bisher dabei, dass er nur an den Verhandlungstisch zurückkehren wolle, wenn Israel zuvor die Bautätigkeit im Westjordanland und in Ostjerusalem völlig stoppen und die Linie von 1967 als Grundlage für die künftige Grenzziehung anerkennen würde.
Laut Medien sollten wirtschaftliche Anreize, die Freilassung von Häftlingen und vielleicht eine vorgegebene Zeitgrenze für die Gespräche Abbas die Entscheidung erleichtern. Einzelheiten des Pakets waren nicht bekannt. Ein Sprecher Netanjahus wies aber Berichte zurück, wonach Israel einer Formel zugestimmt habe, die Gespräche über die Grenzen auf Basis von 1967 vorsieht. (Ben Segenreich, DER STANDARD, 19.7.2013)