Chronischen Kopfschmerzpatienten könnte künftig mit gezielter Nervenstimulation geholfen werden.

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Darmstadt – Bei etwa jedem zweiten Patienten, der an chronischer Migräne leidet, sowie fast allen Menschen mit chronischem Clusterkopfschmerz versagen vorbeugende Medikamente, Akupunktur oder Entspannungstechniken. Helfen könnten neurophysiologische Verfahren, bei denen Elektroden Nerven an Kopf oder Hals stimulieren.

Die Stimulation des Ganglion sphenopalatinum etwa lindert die Attacken bei fast 70 Prozent der untersuchten Patienten mit chronischem Clusterkopfschmerz – das zeigen erste, noch kleine Untersuchungen.

Gezielte Nervenstimulation

Ein internationales Forscherteam entdeckte, dass Patienten mit Clusterkopfschmerz die Stimulation des Ganglion sphenopalatinum – eines Nervenknotens, der Nervenfasern zu Auge und Nase schickt – helfen kann. Die Wissenschaftler hatten 28 Betroffenen Elektroden in der Nähe dieses Nervenknotens hinter dem Kieferknochen implantiert. Wurden die Patienten dann von Kopfschmerzen heimgesucht, konnten sie mithilfe einer Fernbedienung die Elektroden anschalten.

Die gezielte Nervenstimulation verringerte bei 19 der Patienten, also bei rund zwei Drittel, die Häufigkeit und/oder Stärke der Anfälle. Zu ähnlichen Ergebnissen führten Studien, bei denen Elektroden den Vagusnerv am Hals stimulierten. Ein chirurgischer Eingriff ist hierbei nicht notwendig. Dieses Verfahren ist in den USA bereits zur Behandlung schwerer, medikamentenresistenter Depressionen zugelassen. In Deutschland besitzt der Stimulator hierfür keine CE-Kennzeichnung und sollte daher in der Praxis noch nicht angewendet werden.

Noch nicht genügend erforscht

Trotz der vielversprechenden Ergebnisse raten die Experten der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neuro- physiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) zu Geduld: Stimulationsverfahren gegen Kopfschmerzerkrankungen sollten momentan ausschließlich in Studien untersucht werden, denn Wirksamkeit und potenzielle Gefahren seien noch nicht genügend erforscht, heißt es von der DGKN.

"Mit ersten Empfehlungen zur genauen Platzierung der Elektroden und zur optimalen Stromstärke rechnen wir in etwa einem Jahr", schätzt DGKN-Experte Stefan Evers, der zwei Langzeitstudien mit insgesamt rund 100 Patienten durchführt. Frühestens dann sollten neuromodulatorische Verfahren Kopfschmerzpatienten, denen keine andere Therapie hilft, auch in der Praxis angeboten werden. (red, derStandard.at, 18.7.2013)