500 gefährdete Tier- und Pflanzenarten haben in den March-Thaya-Auen Lebensraum gefunden.

Foto: WWF / Manuel Denner

Marchegg/Wien - Etwas Unwirkliches wohnt dieser Gegend schon inne. Da ist die eine europäische Hauptstadt keine 30, die andere 50 Kilometer entfernt. Dazwischen findet sich ein Landstrich, der mehr wie Regenwald wirkt als wie Niederösterreich. An der Au entlang der Grenzflüsse March und Thaya ist Leben in der Natur, das man so nahe an Bratislava und Wien nicht vermutet hätte.

67 Prozent der heimischen Vogelarten sind in der Au unterwegs. Der Seeadler, Österreichs Wappentier, galt hierzulande seit 1946 als ausgestorben. Just an der March folgte 2001 wieder die erste erfolgreiche Brut. Kaiseradler und auch andere bedrohte Greifvögel wie der Rotmilan ziehen majestätisch ihre Runden, während unten in den zahlreichen Feuchtwiesen der Wachtelkönig seine Jungen aufzieht.

Hunderte gefährdete Tier- und Pflanzenarten

500 gefährdete Tier- und Pflanzenarten leben hier im Areal. "Dabei wohnen in einem Umkreis von einer halben Autostunde gut 2,2 Millionen Menschen", sagt Gerhard Egger vom WWF. "Wenn wir dieses Naturjuwel im Grenzgebiet zwischen Österreich, Tschechien und der Slowakei erhalten wollen, müssen wir uns etwas einfallen lassen."

Geschützt ist die grenzübergreifend 60.000 Hektar große Au auf österreichischer Seite teilweise als Natura-2000-Gebiet. Das gemahnt an eine EU-Verordnung, die fast ein Fünftel der gesamten EU-Landfläche schützt. Für sensible Naturlandschaften würde es weiterreichende Schutzmöglichkeiten geben - wie die Ernennung zum Nationalpark oder zum Biosphärenpark. Diese sind aber auch an strengere Regeln und an einen größeren Einsatz öffentlicher Gelder geknüpft.

"Kein Käseglocken-Naturschutz"

"Weitergehende Schutzbestimmungen sind derzeit in den March-Thaya-Auen aber leider kein politisches Thema", sagt Egger. Er verweist auch auf Nutzungsinteressen der Fischer, Jäger und Landwirte, die der Naturschützer durchaus nachvollziehen kann.

In einem Biosphärenpark - wie etwa dem Wienerwald - wäre aber nachhaltiges Wirtschaften und sanfter Tourismus erlaubt. "Es geht ja nicht um einen Käseglocken-Naturschutz, wo der Mensch völlig ausgeblendet wird", sagt Egger.

Der Mensch und sein Tun

Der Mensch will sich aber zuweilen auch intensiv einmischen. So soll die Slowakei umstrittene Pläne zu einem Wasserkraftwerk  nahe Wolfsthal verfolgen, das direkte Auswirkungen auf die March-Thaya-Auen hätte. Diesem Projekt nahe der Grenze müsste Österreich die Zustimmung erteilen. "So sieht es derzeit aber nicht aus", sagt Egger. Im Nachbarland läuft zudem gerade eine Machbarkeitsstudie, die die Möglichkeit einer Freizeitschifffahrt auf der March prüft.

Stur wurde die Regulierung der Grenzflüsse durchgezogen. Von 1936 bis 1984 wurde an 36 Stellen begradigt. Das hatte einerseits zur Folge, dass sich der Fluss um bis zu zwei Meter eingetieft hat und Altarme wie Feuchtwiesen nicht mehr genug Wasser abbekommen. Andererseits ist bei Hochwasser die Geschwindigkeit der Welle viel schneller geworden. "Es hat nicht allein mit der Regulierung zu tun", sagt Egger, "aber 55 nachweislich vorgekommene Tier- und Pflanzenarten sind schon aus dem Gebiet verschwunden."

EU-Geld für Renaturierung

Ein Life-Projekt, das mit 3,5 Millionen Euro dotiert ist und zur Hälfte mit EU-Mitteln gefördert wird, läuft bis 2017 und soll Fehler der Vergangenheit teilweise beseitigen. Allerdings müssen weitergehende Renaturierungsmaßnahmen mit der Slowakei akkordiert werden. "Das gestaltet sich mitunter schwierig", sagt Martin Angelmaier von der Abteilung Wasserwirtschaft des Landes Niederösterreich. "Es gibt sehr positive gemeinsame Projekte wie zum Beispiel das Hochwasserprognosesystem. Aber wenn die March ein rein österreichisches Gewässer wäre, würden wir mehr weiterbringen."

Eine direkte Gefahr droht der Aulandschaft von österreichischer Seite: Der geplante Bau der S8 soll in den nächsten Jahren Wien mit Bratislava verbinden. Der Straßenverlauf würde auch durch die Au führen. Für den ersten 18-Kilometer-Straßenteil südlich von Deutsch-Wagram bis Gänserndorf ist die UVP-Prüfung schon in der Endphase, spätestens 2014 soll mit dem Bau begonnen werden.

Politiker argumentieren mit der Verkehrsentlastung für Anrainer, Gerhard Egger verweist auf den Bahnverkehr. "Wien und Bratislava werden peinlicherweise noch immer mit einer Diesellok verbunden - und die fährt nur eingleisig." Die S8 wäre hingegen bereits die zweite Autobahnverbindung mit Bratislava. (David Krutzler, DER STANDARD, 18.7.2013)