Seit kurzem läuft im ORF die berühmte dänische Serie Borgen, die im Vorjahr von US-Kritikern als die weltbeste ihrer Art bezeichnet wurde. Es geht darin um Politik, und die Gestalter haben das Kunststück geschafft, sowohl die anspruchsvollen Experten als auch das breite Publikum zu überzeugen.

Und wann wird dieses rare Juwel gezeigt? Am Sonntag von 22.45 bis 0.40 Uhr. Praktisch unerreichbar für Normalbürger, die am Montag in der Früh einer Arbeit nachgehen müssen.

Borgen nennen die Dänen das Schloss Christiansborg in Kopenhagen, wo sowohl der Premierminister wie das Parlament und der Oberste Gerichtshof ihren Sitz haben. Borgen ist der Ort, wo Politik gemacht wird. Wie das geht – in Dänemark und überall anders in der westlichen Welt –, kann man anhand des Schicksals von Dänemarks erster Frau an der Spitze des Staates verfolgen.

Wahlkämpfe und Koalitionsverhandlungen, zynische Spindoktoren und skandalgierige Medien, Konflikte um Überzeugungen und notwendige Kompromisse, Gemeinheiten und Populismen, kaputte Freundschaften und gefährdete Familienbeziehungen. Und die ewig präsente Frage: Kann man zugleich ein erfolgreicher Politiker und ein anständiger Mensch sein?

Kann man gute Quoten und gute Qualität unter einen Hut bringen?

Für Fernsehprofis ist Borgen auch eine Antwort auf die nicht minder hartnäckige Frage: Kann man gute Quoten und gute Qualität unter einen Hut bringen? Kann man Spannung und Ernsthaftigkeit vereinen, Herzschmerz und Analyse? Kann man das Funktionieren von Demokratie zeigen, mit allen Stärken und Schwächen? Kann man, mit einem Wort, intelligentes Fernsehen machen, das die Massen auch sehen wollen? Die Dänen zeigen es: Ja, man kann.

Bei den besten Folgen der Serie saß im Vorjahr jeder vierte dänische Bürger vor dem Fernsehapparat. Dies ungeachtet der Tatsache, dass die Serie echte Parteien und echte Probleme nachbildet, von Zuwanderung bis Frauenquote und Geheimdienstintrigen. Eine Fernsehanstalt muss ziemlich unabhängig sein, um so etwas zu wagen. Noch dazu im Hauptabendprogramm.

Eine alte Journalistenweisheit sagt, in den Anfangsjahren sei das Fernsehen von gescheiten Menschen für gescheite Menschen gemacht worden. Später von Gescheiten für Dumme. Und noch später von dummen Menschen für dumme Menschen. Dieser Entwicklung liegt die Überzeugung zugrunde, dass die Mehrheit dumm ist und man daher dumme Programme machen muss, wenn man Geld verdienen will. Aber was, wenn das nicht stimmt? Wenn die Zuschauer gar nicht dumm sind, sondern nur wollen, dass man ihnen Filme bietet, die spannend, unterhaltend und allgemeinverständlich sind? Und die ruhig auch intelligent sein dürfen?

Man fragt sich, warum der ORF so etwas nicht zusammenbringt. An begabten Gestaltern fehlt es hierzulande schließlich nicht. Und an Themen schon gar nicht. Immerhin hat sich der Sender dazu durchgerungen, Borgen ins Programm zu nehmen, ein Jahr nach vielen anderen europäischen Ländern. Jetzt müsste er die Serie nur noch zu einer vernünftigen Zeit spielen, statt sie spät in der Nacht zu verstecken. (Barbara Coudenhove-Kalergi, DER STANDARD, 17.7.2013)