Brigitte Jank über Radfahrer: "Wieso sollen sie nicht dort fahren, wo schon wenig Autoverkehr ist?"

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Jank ist Spitzenkandidatin der Wiener ÖVP im Nationalratswahlkampf.

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"Damit wir Erster auf Bundesebene werden, wollen wir auch in Wien ein sensationell gutes Ergebnis haben."

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Ab 16. August wird die Wiener Mariahilfer Straße teilweise zur Fußgängerzone. Brigitte Jank, Spitzenkandidatin der ÖVP Wien im Nationalratswahlkampf, will sich als künftige Abgeordnete für die Wiener Wirtschaftstreibenden einsetzen. Um sie macht sie sich derzeit Sorgen: "Einige haben mir gegenüber geäußert, dass sie mit dem Gedanken spielen, die Stadt zu verlassen", sagt sie im Interview mit derStandard.at. Sie fordert eine rasche Evaluierung der neuen Fußgängerzone und die Errichtung von Querverbindungen, um den Verkehr an den äußeren Enden der Mariahilfer Straße nicht "ins Unendliche" zu treiben.

Um den Konflikt zwischen Radfahrern und Autofahrern zu entschärfen, fordert Jank, die Radwege in die Seitenstraßen zu verlegen. Sie plädiert für eine Schulreform, zieht die vor einigen Tagen geäußerte Forderung nach einer gemeinsamen Schule allerdings zurück: "Da bin ich verkürzt zitiert worden."

derStandard.at: Als die Kärntner Straße in den frühen 70er Jahren autofrei wurde, war politisch die Hölle los. Jetzt wäre es nicht mehr vorstellbar, dass den ganzen Tag Autos über Graben und Kohlmarkt rollen. Was spricht dagegen, dass das auch bei der Mariahilfer Straße funktioniert?

Jank: Die Situation ist nicht vergleichbar: nicht nur, weil es sich um die längste Einkaufsstraße Österreichs handelt, sondern weil anders als im 1. Bezirk in den angrenzenden Bezirken um die Mariahilfer Straße viele produzierende Betriebe ansässig sind. Die Unternehmerlandschaft ist also eine ganz andere. Einige haben mir gegenüber schon geäußert, dass sie mit dem Gedanken spielen, die Stadt zu verlassen. Das kann nicht politischer Wille sein.

derStandard.at: Wo müsste nachgebessert werden?

Jank: In Verhandlungen haben wir zum Beispiel die Ausdehnung der Lieferzeiten durchsetzen können. Was ich jedoch nach wie vor als Problem sehe, ist, dass die bestehenden Querungen aufgelöst werden. Zudem werden die umliegenden Einbahnen so hin- und hergedreht, dass man einen Kompass braucht, um überhaupt irgendwo hinfinden zu können.

derStandard.at: Wie viele und welche Querungen wären nötig?

Jank: Mindestens drei Querungen braucht es unbedingt, damit der Gesamtverkehrsfluss in der Stadt aufrechterhalten werden kann: bei der Stumpergasse Richtung Kaiserstraße, bei der Schottenfeldgasse-Webgasse und die Durchfahrt Windmühlgasse. Es kann nicht sein, dass die Verkehrsströme auf den Gürtel und die Zweierlinie verlegt werden und sich dort der Verkehr ins Unendliche steigert.

derStandard.at: Taxis dürfen, wie gestern bekannt wurde, die Busspur benutzen, um Fahrgäste abzuholen und aussteigen zu lassen. Wann soll eine Evaluierung des Projekts stattfinden?

Jank: Sofort nach der Testphase. Allerdings ist völlig unklar, wie lange die Probephase überhaupt dauern soll und nach welchen Kriterien die Evaluierung erfolgt. Es entsteht der Eindruck, dass die Stadt Wien hier etwas umsetzt, ohne sich über die Folgen für die Betroffenen Gedanken zu machen. Die Bedürfnisse der Unternehmer müssen jedenfalls noch berücksichtigt werden. Der Wirtschaftsverkehr ist notwendig und ist auch nicht zu ersetzen. Eine starke Wirtschaft muss das oberste Gebot jeder politischen Entscheidung sein.

derStandard.at: Gerade an Samstagen herrscht auf der Mariahilfer Straße großes Gedränge auf Gehsteig und Fahrbahn. Es gibt Untersuchungen, dass neue Fußgängerzonen die Umsätze sogar um 20 Prozent steigen lassen.

Jank: Es gibt auch Studien, die einen Umsatzrückgang prognostizieren. Ich höre auch immer wieder von Teilen der Bevölkerung, dass die Mariahilfer Straße gut funktioniert und man nichts verändern muss. Faktum ist, dass die Mariahilfer Straße als die stärkste Einkaufsstraße Österreichs sehr viel Potenzial hat. Meiner Meinung nach wurden aber die Auswirkungen auf den Verkehr vor allem in den Seiten- und Nebenlagen nicht mitbedacht.

derStandard.at: Bleiben wir beim Verkehr: Schon jetzt queren an Werktagen 200.000 Pendler die Stadtgrenze nach Wien. Staus auf den Hauptverkehrsrouten, Parkplatzmangel, Konflikte mit Radfahrern: Wäre es eine Option, die U-Bahn über die Stadtgrenze hinaus zu verlängern?

Jank: Erfahrungen aus anderen Städten zeigen, dass es sinnvoll ist, wenn die öffentlichen Verkehrsmittel bis ins nahe Umland führen. Viel lässt sich auch erreichen, wenn man verstärkt Park-and-Ride-Möglichkeiten außerhalb der Stadtgrenzen anbietet, damit die Pendler auf die öffentlichen Verkehrssysteme umsteigen. Man muss aber auch sehen, dass es Menschen gibt, die beruflich auf ihr individuelles Fahrzeug angewiesen sind. Oder Familien, die auf dem Weg in die Arbeit oder nach Hause die Kinder in die Schule bringen, einkaufen und gleich mehrere Wege auf einmal erledigen. Da ist ein Auto oftmals einfach notwendig. Da war die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung ein Schritt, der den individuellen Bedürfnissen vollkommen entgegenläuft.

derStandard.at: Das Rezept der rot-grünen Stadtregierung ist es, das Parkpickerl auch zur Verkehrsberuhigung einzusetzen.

Jank: Alles, was mit Zwang verbunden ist und gegen die individuellen Lebensmodelle geht, ist nicht gut. Besser ist, Anreize zu schaffen, die so attraktiv sind, dass man sie gerne annimmt.

derStandard.at: Steigt die Lebensqualität, wenn weniger Autos in der Stadt sind?

Jank: Entscheidend ist die Wahlfreiheit für jeden einzelnen Bürger. Eine Stadt muss das schaffen können anstatt nur auf Zwänge und Einschränkungen zu setzen.

derStandard.at: Die Zahl der Menschen in Wien, die Autos besitzen, nimmt seit Jahren stetig ab. Gleichzeitig steigt die Bevölkerungszahl. Wie zeitgemäß ist es noch, die Straßen hauptsächlich den Autos zu überlassen?

Jank: Die Straßen gibt es schon, und neue Straßen werden nur gebaut, wenn neue Gebiete erschlossen werden. Die Zahlen zeigen aber, dass sich die Lebensweisen ändern. Vor allem die Jugend sagt, dass sie nicht unbedingt ein eigenes Auto braucht, sondern nur dann auf ein Auto zurückgreift, wenn es unbedingt notwendig ist. Das ist eine gute Entwicklung, die geschehen ist ohne Regulierung oder Zwang durch die öffentliche Hand.

derStandard.at: Radfahrer beklagen, dass sie zu wenig Platz haben. Wieso ist es politisch immer ein großer Kampf, wenn die Autofahrer ein wenig Platz abgeben müssen?

Jank: Man sollte darüber nachdenken, Radwege außerhalb der Verkehrsrouten zu legen - also in die Seitenstraßen. Wieso sollen Radfahrer nicht dort fahren, wo schon per se wenig Autoverkehr ist?

derStandard.at: Sie setzen sich hauptsächlich für Anliegen ein, die die Bundeshauptstadt betreffen. Warum haben Sie in Wien keine politische Funktion übernommen?

Jank: Die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftskammer und Stadtverwaltung ist eine, die aus meinem Verständnis das aktive Mitwirken in der Stadtregierung ausschließt.

derStandard.at: Stattdessen werden Sie nach der Wahl in den Nationalrat einziehen.

Jank: Ich trete als Wiener Mandatarin mit Wirtschaftskompetenz an. Dort sehe ich auch mein Arbeitsfeld. Das Parlament muss mit viel mehr Menschen, die Wirtschaftskompetenz haben, ausgestattet sein.

derStandard.at: Neben Ihrer Funktion als Wirtschaftskammerpräsidentin sind Sie auch als Immobilientreuhänderin tätig und werden eine der SpitzenverdienerInnen im Parlament sein. Als Abgeordnete müssen Sie in Zukunft Ihre Nebeneinkünfte offenlegen. Haben Sie ein Problem damit?

Jank: Nein, es gibt Transparenzvorschriften, und die werde ich genauso wie alle anderen Abgeordneten erfüllen.

derStandard.at: Finden Sie die Vorgaben richtig?

Jank: Ja, ich finde das gut. Es bewegt viele Menschen. Und es gibt ja nichts zu verheimlichen. Die Bevölkerung hat ein Anrecht, das zu wissen.

derStandard.at: Derzeit wird bei der Auflistung der Beträge nicht nach Funktionen unterschieden. Alles wird zusammengerechnet und in Einkommenskategorien veröffentlicht. Sollte man differenzieren?

Jank: Das System ist gut, so wie es jetzt ist.

derStandard.at: Meinen Sie nicht, dass es die Wähler interessieren würde, wie viel Sie als Präsidentin beziehungsweise in der Immobilienwirtschaft verdienen?

Jank: Wie hoch die Aufwandsentschädigung einer Wirtschaftskammerpräsidentin ist, ist ja öffentlich bekannt.

derStandard.at: Derzeit gibt es keine Sanktionen für Parlamentarier, die unzureichende oder falsche Angaben machen. Sollen welche festgeschrieben werden?

Jank: Ich gehe davon aus, dass jeder Mandatar seine Angaben korrekt macht.

derStandard.at: Bei der Bildungspolitik haben Sie kritisiert, dass Schulabsolventen erhebliche Wissenslücken haben. Wenn es der Wunsch der Bevölkerung sei, solle es eine gemeinsame Schule geben ...

Jank: ... da bin ich verkürzt zitiert worden.

derStandard.at: Der Wiener ÖVP-Obmann Manfred Juraczka hat in einer Aussendung richtiggestellt, dass die ÖVP Wien gegen Gleichmacherei sei. Fühlen Sie sich bevormundet, wenn Sie zurückgepfiffen werden?

Jank: Nein. Er hat das unterstrichen, was ich gesagt habe. Dass es bei der Schule um die Vielfalt geht und dass es uns nicht gut tut, nur über Schlagworte zu reden. Mir geht es nicht darum, was da draufsteht. Jeder muss nach seinen eigenen Fähigkeiten bestmöglich in der Schule ausgebildet werden.

derStandard.at: Welches Ergebnis soll die ÖVP in Wien bei der Nationalratswahl erreichen?

Jank: Damit wir Erster auf Bundesebene werden, wollen wir auch in Wien ein sensationell gutes Ergebnis haben.

derStandard.at: Soll die ÖVP eine Koalition mit der FPÖ eingehen?

Jank: Das Programm der ÖVP muss sich decken mit der Vorstellung des Koalitionspartners. Dort, wo man die größte Übereinstimmung findet, wird man zusammenarbeiten können. (Julia Schilly/Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 17.7.2013)