Sexualität, geschweige denn Homosexualität, wird abseits einiger Ausnahmen in Videospielen nach wie vor kaum thematisiert.

Foto: EA/"Mass Effect"

"WASD 3"

Foto: WASD

Sexaffären, Schmiergeld, Korruption: Richtig skandalös wird es in der Videospielbranche selten. Das Maximum an Spieleraufregung lösen fragwürdige Heldenfrisuren, enttäuschende Enden oder als unverschämt empfundene Geschäftsmodelle aus - eigentlich ganz schön idyllisch für ein Massenmedium, das die skandalgewohnte Film- und Musikbranche an Bedeutung zu überrunden beginnt.

Und dennoch: "Skandal!" lautet das Titelthema der bereits dritten Ausgabe des Essaymagazins "WASD - Texte über Games", das seit kurzem online bestellt werden kann. Auf über 200 Seiten finden sich in der neuen Ausgabe der halbjährlich erscheinenden Publikation Texte zu Skandalösem im Medium Games, aber auch vereinzelte Rezensionen und Analysen, wie sie im regulären Fachjournalismus kaum Platz haben.

Skandalgeschichte

Herausgeber und Rundfunkjournalist Christian Schiffer sieht das Skandalpotenzial im Medium Games differenziert, denn so skandalfrei, wie es auf den ersten Blick aussieht, geht es in der doch schon einige Jahrzehnte langen Gamesgeschichte auch wieder nicht zu: "Bei den Recherchen für unser 'Quartettspiel der Computerspielskandale' hat der zuständige Autor Andreas Garbe immerhin 150 größere und kleinere historische Skandale rund um Computerspiele ausgegraben. Aber natürlich: Im Vergleich mit anderen Medien, etwa dem Buch oder vor allem der Musik, sind Computerspiele relativ brav."

Reine Aufregung allein macht aber noch keinen Skandal, meint Schiffer. "Dem Medium fehlen vielleicht die richtigen Skandale. Computerspiele sollten öfter den Finger in die Wunde jener Dinge legen, die die Gesellschaft nicht sehen möchte. Dabei kann es durchaus dann mal skandalös zugehen. Provokation war immer ein Mittel der Kunst, um auf das hinzuweisen, was im Argen liegt. Vieles, was ja mal als skandalös gegolten hat, ist es heute zu Recht nicht mehr und das verdanken wir auch mutigen Künstlern. Deswegen ja: Computerspieldesigner sollten den Skandal suchen, sich aber später auch der Debatte stellen. Nichts kann einem Medium mehr schaden als Konformismus und Langeweile."

Kritik von Liebhabern

"Gamer haben – meiner Meinung nach – oft eine merkwürdige Wahrnehmung von dem, was skandalös ist. Wenn ein Spiel unfertig auf den Markt kommt, wird oft so getan, als sei das Ende des Abendlandes nah. Natürlich: Das ist alles ärgerlich, aber ein Skandal? Naja. Andere Dinge sind eigentlich wesentlich skandalöser", meint Christian Schiffer. Ein anderes Problem sei, dass manche kontroverse Videospielinhalte wiederum nicht hinterfragt werden.

"In Computerspielen werden zum Beispiel ziemlich oft und ganz selbstverständlich Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen gezeigt und niemand stört sich daran. Das wäre beim Film sicher anders. Skandalös ist etwa auch, dass behinderten Menschen oft der Zugang zu Spielen verweigert wird, weil sie nicht barrierefrei designt werden. In der richtigen Welt ist das ein handfester Skandal, in den virtuellen Welt ist das ziemlich vielen Menschen ziemlich egal." (rs, derStandard.at)