Wien - Die verschränkte Ganztagsschule wird in Österreich trotz der Reformbemühungen von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) nur sehr selten umgesetzt. Bei der verschränkten Ganztagsschule wechseln sich Unterricht, Lernzeit und Freizeit im Laufe des Tages ab. Im Schuljahr 2012/13 haben nur 1,8 Prozent der Schüler an AHS-Unterstufen diese oft als "echte Ganztagsschule" bezeichnete Form besucht, zeigt die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage durch Schmied. Für das kommende Schuljahr geht das Ressort davon aus, dass es über alle Schulformen für Sechs- bis 14-Jährigen rund fünf Prozent sein werden.

Spitzenreiter in Sachen verschränkter Ganztagsschule an AHS-Unterstufen ist

  • Vorarlberg mit 9,4 Prozent,
  • es folgen die Steiermark (4,6 Prozent),
  • Oberösterreich (2,4 Prozent ) und
  • Wien (2,0 Prozent). 

Im Burgenland, in Kärnten, Niederösterreich, Salzburg und Tirol gibt es keine Kinder in dieser Art von Ganztagsschule.

Vom Unterricht abgekoppelte Nachmittagsbetreuung wird am stärksten in

  • Wien genutzt (24,3 Prozent),
  • gefolgt von Kärnten (17,3 Prozent),
  • der Steiermark (13,1 Prozent),
  • Salzburg (12,8 Prozent),
  • Burgenland (9,6 Prozent),
  • Niederösterreich (7,3 Prozent),
  • Oberösterreich (6,9 Prozent) und
  • Tirol (4,1 Prozent).

In Vorarlberg gibt es dieses Angebot nicht, dafür nutzen im Ländle mehr als drei Viertel der Schüler der AHS-Unterstufe eine Mittagsbetreuung, bei der Schüler nur die Zeit bis zum Nachmittagsunterricht an der Schule überbrücken.

  • In Vorarlberg bekommen die meisten Schüler eine Mittagsbetreuung (76,4 Prozent)
  • Weit weniger sind es in Salzburg (29,8 Prozent),
  • Tirol (25,7 Prozent),
  • Niederösterreich (18,9 Prozent),
  • Wien (18,6 Prozent),
  • Oberösterreich (10,3 Prozent),
  • der Steiermark (6,8 Prozent)
  •  und im Burgenland (0,7 Prozent). 

In Kärnten gibt es laut Anfragebeantwortung keine Mittagsbetreuung.

Insgesamt wurden im abgelaufenen Schuljahr 17,6 Prozent der Sechs- bis 14-Jährigen in der einen oder anderen Form ganztägig an einer Schule betreut, bis 2018/19 soll der Anteil auf 30 Prozent steigen.

Keine Zahlen zu Pflichtschulen

Ob an den Pflichtschulen die verschränkte Form der Ganztagsschule oder reine Mittags- oder Nachmittagsbetreuung angeboten wird, lässt sich laut Unterrichtsministerium aus den gemeldeten Daten der Länder "nicht erschließen". Dazu kommt, dass die Zahlen bei der verschränkten Ganztagsschule generell sehr stark variieren: Es können nämlich nicht nur ganze Schulen, sondern auch einzelne Klassen als verschränkte Ganztagsschule geführt werden. Voraussetzung dafür ist, dass alle Schüler während der gesamten Woche für den Betreuungsteil angemeldet sind und dass je ein Drittel der betroffenen Eltern sowie Lehrer mit dieser Schulform einverstanden sind.

In einer Online-Umfrage für den im Jänner 2013 veröffentlichten Nationalen Bildungsbericht wurden von den Schulleitern als Haupthindernisse für eine Einführung der verschränkten Ganztagsschule mangelnde Zustimmung der Eltern, mangelnde Ressourcen, ungeeignete bauliche Strukturen und geringe Unterstützung durch den Schulerhalter genannt. Kaum eine Rolle spielte hingegen die umstrittene Möglichkeit der Lehrer, ein Veto einzulegen.

Diskussion seit 1969

SPÖ und ÖVP diskutieren bereits seit 1969 über die verschränkte Ganztagsschule. Sie wurde damals von den Sozialdemokraten in ihr Programm aufgenommen, da sie dort die pädagogischen Ziele und Konzepte der Gesamtschule am besten umsetzbar sahen. Von der ÖVP wurde sie damals als "Zwangstagsschule" verurteilt. Mittlerweile lehnt die Volkspartei die verschränkte Form nicht mehr generell ab, pocht aber darauf, dass es "Wahlfreiheit" für Eltern geben müsse. (APA, 15.7.2013)