Wien - Fast sieben Jahre ist es her, dass die in Austrian Institute of Technologie (AIT) umbenannte Forschungsgruppe Seibersdorf gravierende Finanzprobleme und Ungereimtheiten plagten. Wirtschaftsprüfberichte, Strafanzeigen, Führungswechsel und vor allem Staatshilfen in Millionenhöhe waren nötig, um das Flaggschiff der außeruniversitären Forschung wieder auf Kurs zu bringen.

Im Gegensatz zu den wirtschaftlichen und technologischen Problemlagen sind die kriminalistischen und strafrechtlichen Folgen sieben Jahre nach Ausbruch der Krise nicht restlos aufgearbeitet. Im Gegenteil. Wie aus dem Abschlussbericht hervorgeht, den die Landespolizeidirektion im November 2012 an die Staatsanwaltschaft Wien übermittelte, schien es die Justiz nicht allzu eilig zu haben bei der Aufklärung der unter der schwarz-blauen Regierung entstandenen Malversationen.

Schwere Vorwürfe

Es geht um den Vorwurf der Untreue und Bilanzfälschung gegen neun Personen, die bis 2008 Führungsfunktionen in der damals unter dem Namen Austrian Research Centers (ARC) geführten halbstaatlichen Forschungsgruppe hatten. Als Beschuldigte geführt werden unter anderem die früheren ARC-Geschäftsführer Helmut Krünes und Hans Rinnhofer sowie der scheidende Dritte Nationalratspräsident, Martin Graf (FPÖ), Exchef der ARC-Servicetochter ARC Business Services und nach deren Auflösung Prokurist. Die Betroffenen bestreiten die Vorwürfe, für alle gilt ausnahmslos die Unschuldsvermutung.

Erste Sachverhaltsdarstellungen und Anzeigen gingen bei den Justizbehörden ab 2006 ein, einige anonym, andere wurden von der ARC-Führung eingebracht. Die Vorwürfe im Wesentlichen: ARC seien an den Rand des finanziellen Ruins geführt, Gehälter und Funktion aufgebläht worden.

Die Kritik hatte sogar einen ersten Erhebungsauftrag der Staatsanwaltschaft Wien an die Bundespolizeidirektion Wien zur Folge, schreibt die LPD Wien. Allein: "Vom BK (Bundeskriminalamt, Anm.) wurde eine Bearbeitung abgelehnt", heißt es im Abschlussbericht, der dem STANDARD vorliegt. "Der Sachverhalt war auch wiederholt Gegenstand parlamentarischer Anfragen und fortgesetzter Presseberichterstattung im Jahr 2007. Da darüber hinaus eine Rechnungshofüberprüfung in dieser Causa bevorstand, wurde nach ersten formellen Erhebungen von weiteren Ermittlungen abgesehen."

Vier Jahre Pause

Anfang Februar 2008 legte die Kripo Bericht, danach ruhte die politisch brisante Causa für fast vier Jahre. "Erst wieder im April 2012" wurde die Wirtschaftspolizei beim LPD Wien mit Ermittlungen beauftragt. In der Zwischenzeit hatte nicht nur der Rechnungshof die Geschäftsgebarung der ARC geprüft und scharf kritisiert, sondern auch der vom Gericht bestellte Gutachter, Gerhard Altenberger. Auch dessen Mängelliste ist lang - Zweckentfremdung staatlicher Fördergelder: "Spätestens im Dezember 2005 wurden zumindest rund 1,3 Millionen Euro an liquiden Mitteln im ARC-Konzern zweckentfremdet verwendet, um den gesamten operativen Geschäftsbetrieb und die laufend notwendige Liquiditätsversorgung des ARC-Konzerns aufrechterhalten zu können", so Altenbergers Expertise. Und: "Aus diesem Grund ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht ... 2005 und/oder 2006 Zahlungsunfähigkeit ... eingetreten."

Als belastend angeführt wird weiters der Verkauf der ARC-Tochter FWG, die für ARC zum Debakel geriet, weitere 768.638,14 Euro flöten gingen - obwohl FWG zum Zeitpunkt der Nachzahlung bereits verkauft war.

Wiewohl die Verdachtslage in der Causa ARC nach siebenjähriger Verfahrensdauer eindeutig scheint: Eine Anklageerhebung ist nicht in Sicht. "Es gibt keinen Vorhabensbericht", sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Nina Bussek, und dementiert damit Informationen aus Justizkreisen, wonach ein entsprechender Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft bereits in Oberstaatsanwaltschaft und Ministerium liege. Als Anwalt der Seibersdorfer fungiert die Finanzprokuratur. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, 15.7.2013)