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Ahmet Davutoglu in Nöten.

Foto: REUTERS/Francois Lenoir

Er nimmt sich den besten Advokaten weit und breit und wird einen Prozess führen, dass die Funken spritzen: "Gegen diese Veröffentlichung werden bis zum Ende die Rechtsmittel ausgeschöpft", steht in der Mitteilung des Ministeriums. Ahmet Davutoglu tobt. "Sözcü" (Sprecher), ein kemalistisches Blatt, das täglich gegen die Regierung boxt, hat diese Woche behauptet, Mehmet Davutoglu, 16-jähriger Sohn des Außenministers, würde ein Schulstipendium für Bedürftige erhalten. Schlagzeile: BIS ZUM HEUTIGEN TAG UNERHÖRT, NIE GESEHEN. ARMENHILFE FÜR MINISTERSOHN.

Das war dann so wohl nicht ganz richtig, und man wird noch sehen, was von Başak Kaya, der "Sözcü"-Journalistin, welche die Neuigkeit vom armen Davutoglu-Sohn in die Welt gesetzt hat, nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel übrig bleibt. Ein Faksimilie hat sie ja zumindest in der Zeitung präsentiert, das die Liste der Stipendienempfänger einer Eliteschule in Ankara für das kommende Schuljahr darstellen soll: Fünf Namen, der letzte ist Mehmet Davutoglu.

Der Türkische Bildungsverein TED, der das Ankara Kolej - Schulbank aller künftigen Berühmtheiten des Landes - seit Kemal Atatürks Zeiten leitet, hat den Vorwurf sogleich zurückgewiesen. Papa Minister hat immer brav Schulgeld für Sohn Mehmet bezahlt - 1300 Lira im Monat. TED legte auch andere Listen von Stipendienempfängern vor, Sohn Nummer eins fehlt dort (Ahmet Davutoglu hat mit seiner Frau Sare, einer Gynäkologin, vier Kinder und ist damit über das von Regierungschef Erdogan gewünschte Soll hinausgeschossen: die Töchter Sefure und Meymune sowie die Söhne Mehmet und Hacer Bike).

Für die frommen Volksminister der AKP-Regierung sind solche Vorwürfe noch heikler als für "weltliche" türkische Politiker, bei denen die konservativ-religiöse Wählerschaft im Land ohnehin davon ausgeht, dass sie ständig betrunken und auf Seitensprüngen sind, Putschpläne ausarbeiten und sich Geld für die Vergabe öffentlicher Bauaufträge in die Tasche stecken, sofern sie natürlich ein Amt haben, dass ihnen solche Möglichkeiten erlaubt ...

Die geschäftliche Regsamkeit der Familie Erdogan ist ein Tabuthema in der Türkei geworden, Nepotismusvorwürfe werden aber immer wieder verbreitet: Sümeyye Erdogan zum Beispiel, die Tochter des Regierungschefs, soll als Beraterin ihres Vaters 52.000 Lira im Monat erhalten (derzeit 20.300 Euro), behauptete die Opposition im Parlament - allerdings ohne Beleg. Der Sprecher der AKP, Hüseyin Celik, wies schon vergangenen Jänner ähnliche Gerüchte als "völlig falsch" zurück und gab an, Sümeyye würde "keinen einzigen Kuruş von der AK-Partei oder anderen offiziellen Organisationen" erhalten. Als Beraterin ihres Vaters fungiert die 27-Jährige aber dennoch in der einen oder anderen Weise; auf Reisen begleitet sie den Premier, bei einer der zwei Gesprächsrunden mit Sympathisanten der Gezi-Proteste in der Residenz des Regierungschefs im vergangenen Juni war sie auch dabei.

Zu Beginn der Proteste gegen die Zerstörung des Parks war auch das Gerücht aufgekommen, einer der Eigentümer des dort geplanten Einkaufszentrums sei ein Sohn des stellvertretenden Regierungschefs Bülent Arinc. Der wies das als frei erfunden zurück.

Nun plagt sich also Ahmet Davutoglu mit dem Vorwurf der unethischen Raffgier: Der Bildungsverein habe dem Sohn des Ministers kein Stipendium gegeben, heißt es in der Erklärung von TED; diese Stipendien kämen nur Bedürftigen zu und dies auch nach einem Kontrollbesuch der Häuslichkeiten der Familie eines Schülers.

Man sieht schon daran, dass Mehmet Davutoglu keinesfalls eine finanzielle Hilfe zur Bewältigung seiner Schulpflicht erhalten konnte, denn die Familie Davutoglu bewohnt eine Mietwohnung zu monatlich 49.000 Lira (19.200 Euro) in Ankara laut Parlamentsanfrage der Opposition, was auf eine gewisse Geräumigkeit schließen lässt. Die Behausung Davutoglu dürfte allerdings zu einem Gutteil aus staatlichen Mitteln bezahlt werden, schließlich beläuft sich das Gehalt des Ministers nur auf 20.000 Lira (7.800 Euro); das geht also hinten wie vorne nicht auf.

Einen Anfang in der Affäre um das vermeintliche "Armenstipendium" des Ministersohnes gibt es dann wohl doch: In der Erklärung des Außenministeriums wird festgehalten, die Familie Davutoglu sei informiert worden, dass sie Anrecht auf ein Stipendium habe aufgrund der Leistungen des Sohnes Mehmet. Das dürfte dann das Faksimilie von "Sözcü" zeigen, wobei dann immer noch ungeklärt ist, weshalb der Ministersohn für ein Armenstipendium ausgewählt wurde, wenn er doch gar nicht aus armer Familie kommt. Angenommen hat Ahmet Davutoglu das Angebot jedenfalls laut Erklärung seines Ministeriums nicht. Moralisch steht er auf festem Boden. Denn wie schrieb der Außenminister doch auch jüngst im "Guardian" anlässlich der internationalen Kritik am Umgang mit Demonstranten in der Türkei: "Unsere AKP hat eine Demokratie erster Klasse gebaut." (Markus Bernath, derStandard.at, 14.7.2013)