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Will wieder Erster sein und trainiert schon dafür: Nicolas Sarkozy

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Politologe Thomas Guénolé traut Nicolas Sarkozy einen Sieg bei der nächsten Wahl zu

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STANDARD: Kehrt Nicolas Sarkozy ins politische Leben zurück?

Guénolé: Nein, er hat es ja nie verlassen. Seit seiner Abwahl vor gut einem Jahr hielt er sich bloß bedeckt. Seinen Auftritt diese Woche hat er vorbereitet und inszeniert, als wäre er Oppositionschef.

STANDARD: Die nächsten Präsidentschaftswahlen finden erst 2017 statt. Könnte Sarkozy nicht Opfer seiner eigenen Ungeduld werden?

Guénolé: Das glaube ich nicht. Sarkozy zeigt jetzt Talent, sich rarzumachen, auch wenn ihm das von seinem Naturell her völlig gegen den Strich geht. Damit schafft er eine starke Erwartungshaltung.

STANDARD: Aber wie kann es Sarkozy schaffen, sich als Retter der Nation aufzuspielen, nachdem er ihr als Staatspräsident eben nicht aus der Patsche geholfen hat?

Guénolé: Er gibt sich als "Einiger". 60 Prozent der UMP-Wähler sehen in ihm den besten Kandidaten. Der Zweite, François Fillon, kommt auf 15 bis 20 Prozent, Alain Juppé auf noch weniger.

STANDARD: Ist das nicht erstaunlich? Seine Bilanz im Élysée war alles andere als glorreich.

Guénolé: Sein einfaches Argument dafür: Das war die Schuld der Wirtschaftskrise. Ich sehe seine Schwächen eher in seinem Stil. Die Leute erinnern sich eher an seine "Omnipräsidenz"; dazu kommen sein problematisches Verhältnis zum Geld und seine Art, mit dem Finger auf ganze Bevölkerungsgruppen zu zeigen.

STANDARD: Trotzdem jubeln ihm jetzt wieder viele Franzosen zu ...

Guénolé: Er ist der charismatischste Anführer der Rechten. Er hat es als Einziger geschafft, alle vier Strömungen der Rechten hinter sich zu scharen: die liberale, die gaullistische, die moralische und die auf Sicherheit bedachte.

STANDARD: Könnten ihn seine diversen Gerichtsaffären stoppen?

Guénolé: In etlichen Affären ist die Beweislage eher dürftig. Sollte Sarkozy angeklagt werden, wird er sich politisch wehren. Er greift die Richter bereits jetzt direkt an. Das ist neu für Frankreich.

STANDARD: Hat François Hollande als Präsident einen Vorteil?

Guénolé: Auch sein Problem ist die schlechte Wirtschaftslage. Und viele Linkswähler wenden sich von der Politik ab. Die Stimmenthaltung dürfte den Sozialisten so stark zu schaffen machen, dass es nicht einmal sicher ist, ob Hollande 2017 in den zweiten Wahlgang kommt. Es könnte sein, dass Marine Le Pen vom Front National gegen Sarkozy in die Stichwahl geht.

STANDARD: Sie haben sich für Ihr Buch intensiv mit Sarkozy befasst. Was ist das für ein Mensch?

Guénolé: Er wird vom Dämon der Politik geritten. Er kann gar nichts anderes tun; auf jeden Fall interessiert ihn nichts anderes. Er ist der beste Redner unter den französischen Politikern und befolgt Schopenhauers "Kunst, recht zu behalten". Sarkozy ist aber auch der beste Taktiker. Es ist schon bemerkenswert zu sehen: Sarkozy befolgt Machiavellis Lehren peinlich genau. (Stefan Brändle, DER STANDARD, 13.7.2013)