Zügige Realisierung: Vogelperspektive vom Belvedere auf den Hauptbahnhof mit dem künftigen Erste Campus im Vordergrund. 

Foto: Rendering: Erste Group / Zoom VP

Wien - Eigentlich hätte bis zum Sommer klar sein sollen, ob das Wien-Museum am Karlsplatz bleibt - oder an den neuen Hauptbahnhof in eine noch zu errichtende Immobilie der Erste Group übersiedelt. Doch vor kurzem meinte Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), dass die Entscheidung nicht vor der Nationalratswahl am 29. September fallen werde. Er, sagte Häupl zur APA, verstehe die Eile nicht.

Nun ja: Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) hatte versprochen, eine Klärung der Frage bis Ende 2010 herbeizuführen. Das ist lange her. Zudem soll die Option der Ersten am 15. Juni ausgelaufen sein. Isabella Leeb, Kultursprecherin der ÖVP Wien, zeigte sich entsetzt: "Die Stadt Wien hat es also wieder gründlich versemmelt. Viel Geld in Vorarbeiten und Standortstudien gesteckt, und jetzt stehen wir praktisch am Beginn. Währenddessen fällt der sanierungsbedürftige Haerdtl-Bau am Karlsplatz auseinander."

Versemmelt ist noch nichts: Die Erste hofft weiter - auch wenn, so Pressereferentin Linda Michalech, es "zunehmend schwieriger" sei, die Flächen freizuhalten. Der Bau des Erste Campus, der neuen Zentrale der Bank, ist weit fortgeschritten, man müsse "die konkrete Entwicklung der angrenzenden Grundstücke vorantreiben".

Ernst Woller, der Kultursprecher der Wiener SPÖ, rechnet aber nicht mehr mit einer Verbannung des Museums aus dem Stadtzentrum: Er plädiert, wie Direktor Wolfgang Kos, für einen Erweiterungsbau am Karlsplatz.

Bisher scheiterten alle Versuche der Ersten, Kulturinstitutionen in das Quartier Belvedere zu locken. Dass man nun die Idee einer Guggenheim-Dependance verfolge, stellt sich jedoch als Gerücht heraus: Ex-Guggenheim-Chef Thomas Krens erstellte bloß eine Studie, die der Ersten "als Grundlage für Ideen und Entscheidungen rund um die kulturelle Nutzung des Areals" dient. Über den Inhalt schweigt sich die Erste aber aus. Und langsam ist eine gewisse Nervosität spürbar. Denn, wie Michalech einbekennt: "Es werden viele Gespräche geführt, bisher stehen aber noch keine Entscheidungen fest."

Auch Francesca Habsburg gab den Plan auf, ihr Ausstellungsforum TBA21 neben dem vom Belvedere bespielten 21er-Haus zu verorten. Fix ist nur, dass es im Erste Campus das Financial Literacy Center mit einer Ausstellung zum Thema Geld geben wird.

Isabella Leeb befürchtet daher eine kulturelle Wüstenei im Stadtentwicklungsgebiet Hauptbahnhof. Ein Desaster wie die öde Donauplatte wünscht sich aber niemand in der Stadtregierung. Ernst Woller kann sich z. B. das immer wieder heiß diskutierte Haus der Geschichte der Zweiten Republik vorstellen. Und wie Klaus Werner-Lobo, Kultursprecher der Grünen, findet er Gefallen an der Idee einer Musicalhalle, die so groß ist, dass sie ohne Subventionen betrieben werden kann. Bekanntlich sind sowohl das Raimundtheater wie auch das Ronacher mit einer Kapazität von je 1000 Zuschauern viel zu klein für eine wirtschaftlich sinnvolle Musicalbespielung.

Thomas Drozda, Generaldirektor der Vereinigten Bühnen Wien, meint, dass der Standort Hauptbahnhof "natürlich interessant" sei, er hat aber Zweifel, ob das Einzugsgebiet groß genug ist, um eine Halle mit 2000 bis 3000 Zuschauern auch täglich zu füllen. Das Potenzial lässt er gerade vom Beratungsbüro Infora prüfen.

Kürzlich ins Spiel gebracht hat sich Nicolaus Schafhausen: Er hätte keine Scheu, mit der Kunsthalle den neuen Ort zu erobern. Und er fände es schade, wenn die Stadt dort keine Zeichen setzen würde. Wichtig wäre ein bunter Mix an Einrichtungen (z. B. Museen, Bühnen, Konzerthallen) und ein junges Publikum. Die Kunsthalle, derzeit im MQ beheimatet, habe dieses: "Es würde den Weg zum Bahnhof schon finden!" (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 13./14.7.2013)