Drohnen "umschwirren" seit einigen Wochen Konferenzen, Redaktionen, Stammtische und Talkshows. Nun haben sie auch einen Untersuchungsausschuss. Gemeint sind nicht die vater- und willenlosen Begattungs-Bienenmännchen, sondern ferngesteuerte unbemannte Flugsysteme (Unmanned Aerial Vehicles, UAVs) vorwiegend zur militärischen Aufklärung oder, bewaffnet mit Lenkwaffen (als Unmanned Combat Aerial Vehicles, UCAVs), zur Bekämpfung feindlicher Ziele.

Die deutsche Drohnen-Debatte ist ein Paradebeispiel dafür, wie bei einem neuen Aufregerthema vieles durcheinandergeht und Unterschiedliches in einen Topf geworfen wird. Doch gilt es zu unterscheiden: die Frage, ob moderne Streitkräfte unbemannte Flugsysteme, auch mit Bewaffnung, benötigen; damit verknüpfte ethische, völkerrechtliche und rüstungskontrollpolitische Fragestellungen; die US-Praxis gezielter Tötungen mit UCAVs; die abgebrochene Beschaffung der Aufklärungsdrohne Euro Hawk für die deutsche Bundeswehr; das entsprechende von der NATO beschlossene System.

Unbemannte Flugsysteme stellen bezüglich Präzision, Einsatzoptionen und Schutz eigenen Personals eine neue Stufe militärtechnischer Entwicklung dar. Ihre Zweckmäßigkeit für die Aufklärung ist unbestritten. Die Beschaffung hoch fliegender Aufklärungsdrohnen für die Bundeswehr und auch im NATO-Rahmen ist geplant. Tief fliegende UAVs benutzt die Bundeswehr zur Gefechtsaufklärung schon seit Jahren nicht zuletzt in Afghanistan (und ungelenkte Drohnen hatte sie schon vor Jahrzehnten).

Inhaltlich geht die derzeitige öffentliche Kontroverse um Drohnen mittlerer Flughöhe als Plattformen für Waffensysteme. Wie schon Artillerie und Cruise-Missiles wirken solche Lenkwaffen auf Abstand, können aber, bei erforderlichenfalls großer Verweildauer, Echtzeitaufklärung und Waffenwirkung miteinander verbinden. Beispielsweise muss eine angegriffene Patrouille im Einsatzgebiet, der die bislang eingesetzten Aufklärungsdrohnen beim Anfordern von Artillerie- oder Luftnahunterstützung helfen, nicht auf diese warten, sofern die Drohnen auch zum Waffeneinsatz fähig sind. Zugleich lässt sich mit der permanenten Nachverfolgung des Aufklärungsbildes durch den Bediener weit wirksamer die Beeinträchtigung Unbeteiligter ("Kollateralschaden") minimieren als bei Artillerie, Bomben oder teilgelenkten Waffen.

Kritische Fragen nicht ausklammern

Es ist die Pflicht der Bundesregierung, der Bundeswehr die Mittel zur Verfügung zu stellen, die Auftragserfüllung, Schutz der Soldaten und Schonung von Zivilisten verbessern. Kritische Anfragen, wie sie mit jeder neuen Waffenentwicklung einhergehen, dürfen dabei nicht ausgeklammert werden. Rüstungskontrollpolitisch muss über die Einhegung möglicher Stabilitätsgefährdungen nachgedacht werden (zum Beispiel erfasst der KSE-Vertrag zur Beschränkung konventioneller Streitkräfte in Europa nur bemannte Flugzeuge) sowie über Transparenz, Einsatzregeln und Proliferationsgefahr.

Ethische Fragen stellen sich mit der Befürchtung einer "Senkung der Hemmschwelle" bei "Joystick-Soldaten" (die gleichwohl die Wirkung ihres Handelns wesentlich näher verfolgen als zum Beispiel der Kanonier, der eine Haubitze abfeuert). Auch gibt es die Sorge vor einem "Roboter-Krieg", der weit über derzeit gebräuchliche "zielsuchende" Systeme und Munition hinausginge. Hier müssen Regelungen eingeführt - beziehungsweise bekräftigt und erklärt - werden, die sicherstellen, dass im Führungssystem die Entscheidungen jederzeit bei den verantwortlichen Personen liegen und nicht bei "autonomen" Waffen. Und schließlich stellen sich kriegsvölkerrechtliche Fragen.

In deren Zusammenhang führt die US-Praxis der gezielten Tötung von vermeintlichen Terroristen zum Beispiel im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet zu Unbehagen. Sie bewegt sich in völkerrechtlicher Grauzone ("Kombattanten", "präventive Ausschaltung") und wird nach unserer Rechtsauffassung abgelehnt. Da ist den Worten Minister de Maizières nichts hinzuzufügen, der am 13. Juni 2013 vor dem Deutschen Bundestag bekräftigte, dass wie bei allen Instrumenten militärischer Gewalt auch bei Drohnen-Einsätzen verfassungs- und völkerrechtliche Grundsätze sowie das humanitäre Kriegsvölkerrecht gelten, und feststellte: "Wir sollten so selbstbewusst sein, nicht von der Einsatzmethode anderer Staaten auf diejenige der Bundeswehr oder des Einsatzmittels insgesamt zu schließen."

Breite gesellschaftliche Debatte

Die Entscheidung zum Stopp der Beschaffung der in großer Höhe einzusetzenden Aufklärungsdrohne Euro Hawk, für die klar begründeter Bedarf besteht, hat mit der lange unterschätzten Schwierigkeit ihrer Zulassung für den europäischen Luftraum zu tun (den sie beim Aufsteigen durchqueren müsste), nicht mit der Debatte über Kampfdrohnen. Und der Untersuchungsausschuss über Kosten, Entscheidungsgänge und "Wer hat wann was gewusst?" schon gar nicht. Der Fähigkeitsbedarf der Bundeswehr wird zweifellos eines Tages durch das - richtigerweise - fertig entwickelte Aufklärungssystem auf einer anderen Plattform gedeckt werden.

Und schließlich wird das Euro-Hawk-Debakel auch das NATO-Projekt "Alliance Ground Surveillance" (AGS) berühren, schon damit dort ähnliche Probleme rechtzeitig entschärft werden. Aber bitte keine Panikreaktionen!

Entscheidungen über die Beschaffung bewaffneter Drohnen stehen erst für die nächste Bundesregierung an. Und da sollte nicht die - offensichtlich populistische und im Gegensatz zum SPD-Wahlprogramm stehende - Festlegung des Kanzlerkandidaten leitend sein, Deutschland "brauche keine bewaffneten Drohnen", sondern die "breite gesellschaftliche Debatte" zu allen Aspekten dieses Themas, die der Verteidigungsminister selbst in präzedenzloser Transparenz und Diskursbereitschaft angestoßen hat und betreibt. (Klaus Wittmann, derStandard.at/The European, 12.7.2013)