Bonn - Wenn im Gehirn viele Nervenzellen gleichzeitig feuern, kommt es zu einem epileptischen Krampfanfall. Die häufigste Form ist die Temporallappenepilepsie. Sie hat in einem der beiden Schläfenlappen ihren Ursprung, die unter anderem wichtige Strukturen für die Koordination des Gedächtnisses enthalten. Weil viele Patienten nicht dauerhaft auf Medikamente ansprechen, wird häufig in einem neurochirurgischen Eingriff der Anfallsherd im betroffenen Schläfenlappen entfernt.

Bei rund einem Drittel der Operierten zeigt sich jedoch nach der OP keine Besserung. "Der Eingriff ist mit Risiken verbunden - deshalb ist eine verlässliche Prognose über die Erfolgsaussichten sehr wichtig", sagt Bernd Weber von der Klinik für Epileptologie des Universitätsklinikums Bonn.

Algorithmus wertet Gehirnaufnahmen von Patienten aus

Die Bonner Epileptologen haben nun gemeinsam mit Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für neurologische Forschung in Köln einen Weg gefunden, wie sich bei Epilepsie-Patienten die Erfolgsaussichten eines Eingriffs am Schläfenlappen vorhersagen lassen. Die Forscher nutzten die Kernspintomografie-Aufnahmen von insgesamt 49 Epilepsie-Patienten, denen zuvor im linken Schläfenlappen der Anfallsherd operativ entfernt wurde.

Mit einem speziellen Computerprogramm suchten die Wissenschaftler in den Aufnahmen der Gehirne nach Unterschieden zwischen der Patientengruppe, bei denen sich nach der Operation die Krampfanfälle besserten, und denjenigen mit unveränderten Beschwerden. "Wir 'trainierten' den Algorithmus anhand der Gehirnaufnahmen darauf, anfallsfreie und nicht-anfallsfreie Patienten bestmöglich zu unterscheiden", erklärt Weber.

Trefferquote von mehr als 90 Prozent

Anschließend berechneten die Wissenschaftler anhand der Algorithmusergebnisse die Erfolgsaussichten eines Eingriffs und verglichen sie mit den tatsächlichen Befunden nach der Operation. Weil sich Frauen- und Männergehirne beispielsweise in der Symmetrie der Gehirnhälften voneinander unterscheiden, werteten die Forscher die Daten nach dem jeweiligen Geschlecht aus. Bei den weiblichen Patienten lag die Trefferquote bei 96 Prozent und bei den männlichen bei 94 Prozent.

Weitere Forschung notwendig

Bislang erfolgten die Tests in der Retrospektive: Die Forscher wendeten das Verfahren im Nachhinein an bereits operierten Patienten an. Als nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler prüfen, wie gut die Methode die Erfolgsaussichten bei Epilepsiepatienten vorhersagt, denen ein Eingriff am Schläfenlappen noch bevorsteht. Dabei sollen auch andere Unikliniken und noch detailliertere bildgebende Verfahren mit einbezogen werden. "Für eine klinische Anwendung ist es im jetzigen Stadium noch zu früh, es ist noch weitere Forschung notwendig", so das Fazit von Christian Elger, Leiter der Bonner Klinik für Epileptologie. (red, derStandard.at, 12.7.2013)