Die Zukunft gehört den so genannten Supraleitern, durch die der Strom vollkommen verlustfrei fließt, sind sich Energietechnik-Experten einig. Allerdings müssen Supraleiter dazu bis weit unter den Gefrierpunkt gekühlt werden. Doch erste Anwendungen gibt es bereits.

"Die Technik hat ihre Tauglichkeit bewiesen"

In Kopenhagen etwa fließt der Strom für mehrere tausend Verbraucher, einschließlich des Flughafens, durch ein 30 Meter langes supraleitendes Kabel. "Die Technik hat ihre Tauglichkeit bewiesen", erläutert Heinz-Werner Neumüller vom Technologiekonzern Siemens in Erlangen. "Was noch fehlt, sind niedrige Materialkosten." Der Meter kaltes Kabel kostet derzeit zehn Dollar (rund 8,70 Euro) oder mehr. Für den Energieversorger RWE Net haben supraleitende Kabel vor allem in Ballungsräumen Sinn.

Viele Einsatzgebiete

Supraleiter haben viele Einsatzgebiete: Sie verbessern bereits heute medizinische Diagnosen, lassen erste Magnetbahnen schweben und sollen die Supercomputer von morgen möglich machen. Die Medizin verhalf den Supraleitern überhaupt zu einem ersten wirtschaftlichen Einsatz: Mit den Kernspintomographen hielt die Tiefkühl-Technik Einzug in zahlreiche Kliniken. Die EU-Kommission rechnet im Jahr 2010 mit einem Weltmarkt für Supraleiter von insgesamt 5,2 Milliarden Euro.

Offshore-Windparks

Manche ehrgeizigen Vorhaben werden durch Supraleiter überhaupt erst möglich, wie Frank Sicking vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) erläutert: "Die Generatoren für die geplanten gigantischen Windräder künftiger Offshore-Windparks lassen sich nur mit Supraleitern klein und leicht genug herstellen." Auch der Transport des Windstroms durch das empfindliche Watt ans Land erfordert kalte Kabel. "Die Leitungen dürfen die Umwelt nicht erwärmen. Das ist in absehbarer Zeit nur mit Supraleitern möglich."

Die Erklärung kam erst 1957

Erst 1957 konnten Physiker die Supraleiter zufrieden stellend erklären: Die Elektronen - Träger des elektrischen Stroms - verbinden sich in den tiefgekühlten Materialien zu Paaren. Die Elektronenpaare begeben sich alle in denselben quantenmechanischen Zustand geringster Energie, wo sie nicht mehr gestreut werden können - sie eilen ungebremst durch den Leiter. Daher können Supraleiter sehr viel mehr Strom transportieren als konventionelle Kabel, in denen die Elektronen durch ständige Stöße aufgehalten werden.

Der Haken der Wundermaterialien war zunächst jedoch, dass sie bis auf wenige Grad über dem absoluten Nullpunkt der Temperatur (minus 273,15 Grad Celsius) gekühlt werden mussten. Durch die aufwendige Kühlung mit flüssigem Helium blieb ihre Anwendung lange der Forschung vorbehalten. 1986 entdeckten der Deutsche Georg Bednorz und der Schweizer Alexander Müller eine neue Klasse von Supraleitern, die bei deutlich höheren Temperaturen ihren elektrischen Widerstand verlieren. Das brachte ihnen bereits im Jahr darauf den Nobelpreis für Physik. Diese "Hochtemperatur-Supraleiter" (HTS) müssen zwar immer noch auf mindestens 135 Grad unter Null gekühlt werden. Dazu genügt jedoch flüssiger Stickstoff, der wesentlich einfacher herzustellen ist als flüssiges Helium.

Spröde und leicht brüchig

Die HTS-Technik hat allerdings ein anderes Problem: Die durchweg keramischen Materialien sind spröde und leicht brüchig. Forscher experimentieren daher mit verschiedenen ausgefeilten Techniken, um die widerspenstige Keramik in Kabelform zu zwingen.

In viel kleineren Dimensionen sind die Materialien für die Elektronik interessant: Die Computerchips der Zukunft könnten mit Supraleitern wesentlich schneller arbeiten. Die Abwärme im Chip gilt heute als eines der Haupthindernisse für die Leistungssteigerung. "Supraleitende Elektronik würde Prozessoren möglich machen, die 500 Mal schneller sind als die derzeitigen Halbleiterelemente und gleichzeitig 200 Mal weniger Wärme erzeugen", schätzt die EU- Kommission.

"Noch fünf bis zehn Jahre"

Das Zukunftsfeld Supraleiter braucht "noch etwa fünf bis zehn Jahre, um deutliche Effekte im Markt zu hinterlassen", meint Sicking. Auch dank Förderung durch das Bundesforschungsministerium mit rund 250 Millionen Euro seit 1987 spielt Deutschland bisher an der Weltspitze mit. Allerdings fährt das Ministerium diese Förderung gerade deutlich zurück. "Die Erwartungen an eine schnelle Umsetzung haben sich abgekühlt", begründet Ministeriumssprecher Florian Frank den Schritt. Deutschlands Hauptkonkurrenten USA und Japan hingegen hielten an der Supraleiter-Förderung fest, betont der Göttinger Kreis, eine Interessengemeinschaft deutscher Supraleiter-Forscher.(red/APA/dpa)