ÖVP-Chef Michael Spindelegger macht sich ein industrienahes Wirtschaftsprogramm zu eigen. Er verspricht, dass daraus 419.000 Arbeitsplätze entstehen sollen, wenn alle länger arbeiten.

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Wien - Wenn Michael Spindelegger über die Beteiligung der Arbeitnehmer am wirtschaftlichen Erfolg der Arbeitgeber referiert, dann spricht profunde Kenntnis der christlichen Soziallehre aus ihm. Wenn er die Flexibilisierung der Löhne (üblicherweise: nach unten) zur Diskussion stellt, dann bringt er seine Erfahrung als Arbeitnehmervertreter ein - "Ich werde nicht verlangen: Löhne runter, sicher nicht! Aber wir müssen flexibler werden, wir brauchen eine Beschleunigung der Sozialpartnergespräche."

Und wenn er schließlich über die wirtschaftlichen Perspektiven Österreichs redet, dann ist er ganz Wahlkämpfer. Er zitiert zum wiederholten Mal seine "drei E: Entfesselung, Entlastung, Export".

Geht es ein wenig konkreter? Bei der Präsentation des Konzepts "Unternehmen Österreich 2025" wird Spindelegger auf die Details der Pläne angesprochen, die ein 300-köpfiges Team von Unternehmern und Experten (formal unabhängig von der ÖVP, finanziert unter anderem aus der Industrie) erarbeitet hat.

Stichwort Pension: Hier wollen die Experten bis 2025 das tatsächliche Antrittsalter um 2,1 Jahre erhöhen - bedeutet das eine weitere Pensionsreform? Spindelegger: "Man muss in jeder Periode nachdenken, was man tun kann, um das faktische Pensionsalter zu erhöhen." Seine ÖVP habe schon in den vergangenen fünf Jahren darauf gedrängt, das durchschnittliche Pensionsantrittsalter auf 62 Jahre zu erhöhen - und das bis spätestens 2020. Demgegenüber ist der Expertenvorschlag geradezu moderat.

Ein Schritt vor, zwei zurück

Der Ökonom Ulrich Schuh, dessen Institut Eco Austria die Vorschläge nach einem auch von der EU verwendeten System auf ihre makroökonomischen Effekte durchgerechnet hat, unterstützt die ÖVP-Linie: "Wenn die vor zehn Jahren angekündigten Maßnahmen umgesetzt worden wären, dann wären wir jetzt in einer anderen Welt." Aber was die Regierung Schüssel angegangen hat, ist nach Protesten abgeschwächt, von den Folgeregierungen schließlich gänzlich verwässert worden. "Ein Schritt vor angekündigt, zwei zurück gemacht", sagt Schuh, der auch der staatlichen Pensionsreformkommission angehört. So sei auch die Anpassung des Frauenpensionsalters an das der Männer "viel zu träge".

Die von Eco Austria positiv bewerteten Expertenvorschläge sehen vor, dass die Produktivität in Österreich gesteigert wird, was vor allem durch Bürokratieabbau erzielt werden soll. Schuh, der selber früher im Finanzministerium tätig war: "Wir leben unter unseren Verhältnissen, weil wir mit den Ressourcen nicht effizient umgehen. Im Finanzausgleich sind viele Ineffizienzen versteckt. Man darf die Verwaltungsreform nicht den Beamten selbst übertragen."

Kritik an Umweltpolitik

Spindelegger will nicht nur über Pensionen reden - viel besser gefällt ihm die Berechnung, dass bei Umsetzung aller Vorschläge des Vereins "Unternehmen Österreich 2025" in zwölf Jahren 419.400 neue, langfristig abgesicherte Arbeitsplätze entstehen sollen - das sind 28-mal mehr, als durch das aktuelle Konjunkturpaket geschaffen werden sollen. Dazu müsste Österreich aber eine andere Sicht auf die Wirtschaft entwickeln: "Wir brauchen ein klares Bekenntnis zur Reindustrialisierung - denn bei jedem Projekt gibt es, wenn es konkret wird, 1000 Bedenken, von den Gemeinden, den Umweltschützern, den Grünen." Man könne aber nicht mit Umweltverträglichkeitsprüfungen Projekte über Jahrzehnte hinauszögern, wenn Österreich als Industrieland erfolgreich bleiben will.

Ein Schwerpunkt des unternehmerisch ausgerichteten Programms ist die mittelständische Wirtschaft: Hier will Spindelegger mit einer Finanzierungsagentur, die Geld von der Börse aufnimmt, die Kreditklemme beseitigen. Banken könnten nämlich derzeit ihre Aufgabe der Unternehmensfinanzierung nicht leisten. (Conrad Seidl, DER STANDARD, 10.7.2013)