Je länger sich Materialforscher mit der noch jungen Kohlenstoffvariante Graphen auseinander setzen, umso mehr spannende Anwendungsmöglichkeiten tauchen auf. Aktuelle Experimente zeigen, dass Graphen auch die traditionelle Silizium-Technologie ergänzen oder sogar eines Tages ersetzen könnte. Eine richtungsweisende Herausforderung ist die erfolgreiche Einbindung von Graphen in die etablierte Metall-Silicid-Technologie. Physikern von der Universität Wien und ihren Kollegen von Forschungsinstituten in Deutschland und Russland ist nun ein erster Schritt in diese Richtung gelungen: Sie erzeugten eine neuartige Struktur aus hochwertigem Metall-Silicid, die von einer schützenden Graphen-Schicht bedeckt ist. Diese zweidimensionalen Schichten sind so dünn wie ein einzelnes Atom.

Um die grundlegenden Eigenschaften der neuen Struktur zu entschlüsseln, greifen die Wissenschafter zu leistungsstarken Messtechniken, die auf einer von Einsteins Entdeckungen beruhen – auf dem photoelektrischen Effekt. Wenn ein Lichtteilchen mit einem Material wechselwirkt, kann es all seine Energie auf ein Elektron innerhalb des Materials übertragen. Wenn die Energie des Lichts ausreichend groß ist, gewinnt das Elektron genug Energie, um aus dem Material auszubrechen. Wertvolle Informationen über die elektronischen Eigenschaften des Materials können die Wissenschafter dann mithilfe der sogenannten winkelaufgelösten Photoemissionsspektroskopie (ARPES) gewinnen, indem sie den Winkel messen, unter dem die Elektronen das Material verlassen.

"Schichten so dünn wie einzelne Atome und daraus hergestellte Hybridmaterialien ermöglichen uns, eine Fülle von ungewöhnlichen elektronischen Phänomenen zu studieren. Die ARPES-Methode spielt dabei eine Schlüsselrolle", sagen Alexander Grüneis und Nikolay Verbitskiy, Mitglieder der Gruppe "Elektronische Materialeigenschaften" an der Universität Wien und Koautoren der Publikation.

Gut geschützt gegen Oxidation

In ihren Untersuchungen fanden die Wissenschafter heraus, dass die mit Graphen überzogenen Silicide zuverlässig gegen Oxidation geschützt sind und ein breites Spektrum von elektronischen Materialien und anwendungsorientierten Bauelementen abdecken können.

Eine besonders wichtige Entdeckung ist dabei, dass die Graphen-Schicht selbst kaum mit den darunterliegenden Siliciden wechselwirkt. Dadurch bleiben die einzigartigen Eigenschaften von Graphen überwiegend erhalten. Die Arbeit des Forscherteams wartet mit einem ausgeklügelten Verfahren auf, um Graphen mit der bestehenden Metall-Silicid-Technologie zu verknüpfen, die eine breite Anwendung in Halbleiterbauelementen, Spintronik, Photovoltaik und Thermoelektrik findet. (red, derStandard.at, 14.07.2013)