Sollten Sie in eine hübsche andalusische Kleinstadt kommen, die sich im Ausnahmezustand befindet, viele Geschäfte auch tagsüber geschlossen bleiben, sich die Bevölkerung in traditioneller Kleidung gewandet in der ganzen Stadt Flamenco tanzend der Fiesta-Tradition hingibt, dann haben Sie Glück und sind mit großer Wahrscheinlichkeit zur Feria-Zeit in Jerez gelandet.

Foto: Bianca Gusenbauer

Einmal jährlich findet hier die Feria del Caballo (Pferdemesse) statt, die Jung und Alt nicht kalt lässt. Diese seit dem Mittelalter gepflegte Tradition, bei der sich die Bauern der Umgebung sechs Tage lang Sherry Fino trinkend und Flamenco tanzend zum Pferdehandel getroffen haben, ist ein wirklich ganz großartiges Erlebnis, dem man sich ohne Einschränkung hingeben sollte.

Während des Volksfestes steht die Stadt Kopf und die Hotels sind voll mit großen Frauen- und Männergruppen, die sich, oft geschlechtlich getrennt, entweder von der Feria erholen oder sich auf die bevorstehende Partynacht vorbereiten ("vorglühen"). Die weibliche Bevölkerung ist herausgeputzt für diese Festlichkeit und eine Augenweide.

Foto: Bianca Gusenbauer

Vom Kleinkind bis zur Urgroßmutter wird farbenfrohe, figurbetonte Flamencokleidung getragen, an Accessoires und Schminke nicht gespart und Feststimmung und Lebenslust versprüht.

Foto: Bianca Gusenbauer

Tanzen, sehen und gesehen werden! Stolz flanieren die Damen-Quadrigas auf dem Festgelände zwischen den Pferdekutschen und posieren für Fotos. Wie in einer großartigen Filmkulisse für einen aufwendig gedrehten historischen Kostümschinken kommt man sich dabei die meiste Zeit vor.

Ganz gehört man daher irgendwie nicht dazu, denn auch wenn man – so wie manche Touristen es machen – sich "verkleidet", um sich äußerlich den Damen annähern, wird der Betrug spätestens anhand der Bewegungsgrazie beim Flamencotanz aufgedeckt. Flamenco liegt im Blut. Walzer- und Foxtrott-sozialisiert schauen unsere Bewegungen hingegen steif, unerotisch und dramafrei aus.

Foto: Bianca Gusenbauer

Dabei ist auf der Feria alles echt, oder zumindest temporär-echt, denn die Casetas, die kleinen Häuser entlang des großen Festgeländes, werden nur für diesen Anlass aufgebaut. Sie sind für alle Besucher frei zugänglich und in ihnen wird von mittags bis in die frühen Morgenstunden Musik gespielt, getanzt, gegessen und natürlich viel Sherry getrunken.

Der Sherry Fino wird eisgekühlt in kleinen Dosen oder als Mischgetränk ("Rebujito" oder "Tiojito") mit Limonade, Minze und Eis getrunken. Ein wirklich herrlich-süffiges Sommergetränk, das im Vergleich zum Sherry pur zwar die gleiche Wirkung hat, aber in noch größeren Mengen getrunken werden kann.

Foto: Bianca Gusenbauer

Eine der berühmtesten und bedeutendsten Sherry-Marken von Jerez ist González-Byass, die in der ganzen Stadt mit ihrer Sherry-Marke Tio Pepe ("Onkel Peppi") präsent ist und auch am Festgelände die hübscheste Caseta hat. Tio Pepe, Namensgeber für die älteste und bedeutendste Marke von González-Byass, unterstützte den Gründer mit seinem Wissen über Weinproduktion. Als Dankbarkeit wurde er mit einer eigenen Sherry Fino Marke bedacht.

Foto: Bianca Gusenbauer

Auf der Feria posieren die charmanten Tio Pepe-Girls für die fotografierenden Gäste und schenken sprichwörtlich eisgekühlten Sherry Fino aus, der ganz trocken und bei dieser ausgelassenen Stimmung ganz hervorragend schmeckt.

Foto: Bianca Gusenbauer

Bei einem Besuch in Jerez sollte neben dem Festgelände auch unbedingt eine Sherry Bodega besucht werden, so wie beispielsweise die traditionsreiche Bodega von González-Byass, die sich im Norden der Altstadt von Jerez befindet. Dort kann man sich nach Voranmeldung völlig der Sherry-Produktion hingeben. Bei der Führung durch das bereits seit 1834 bestehende Unternehmen und den 1862 von Eiffel geplanten Keller, wird eindrucksvoll die Produktion und Lagerung von Sherry erklärt.

Sherry ist nicht Sherry. Zwischen dem Sherry Fino als trockenste Ausbaustufe des Sherrys und altem Sherrys wie beispielsweise dem Alfonso Oloroso oder dem Noe können bis zu zwei Jahrzehnten Altersunterschied liegen. In der Sherry-Produktion werden die Weine im Solerasystem gealtert, bei dem in drei Lagen Eichenfässer übereinander gelagert werden, wobei nach System die jüngeren mit den älteren Weinen vermischt bzw. vermählt werden.

Foto: Bianca Gusenbauer

Sherry Fino ist am besten eisgekühlt oder gemischt als Tiojito zu trinken. Da Sherry Fino ein noch sehr junger Sherry ist, sollte eine geöffnete Flasche sofort oder aber innerhalb weniger Tage ausgetrunken werden, da der Wein zu arbeiten beginnt.

Älterer und gehaltvollerer Sherry eignet sich nicht nur als Begleitung zu Desserts und Käse, sondern auch hervorragend als Zutat wie beispielsweise für Panna Cotta. Ein leckeres und einfaches Rezept dafür ist in meinem Kochbuch "Zu Gast in der Geheimen Schnatterei" im September-Menü zu finden.

Lieben Sie das Leben und die Lust? Dann sind Sie mit einem Glas eisgekühlten Tio Pepe auf der Feria in Jerez genau richtig aufgehoben. Mehr Fotos für mehr Reiselust sind auf meinem Blog Gib Bianca Futter! zu finden. (Bianca Gusenbauer, derStandard.at, 15.7.2013)