Caracas/Washington/Moskau - Der von den USA gesuchte frühere Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden hat Asyl in Venezuela beantragt. Snowdens Asylantrag sei eingegangen, sagte Staatschef Nicolas Maduro am Montag in Caracas. Der Aufdecker von Spionageaktivitäten des US-Geheimdienstes müsse jetzt "entscheiden, wenn er ein Flugzeug nimmt, ob er letztendlich herkommen will".

Maduro verwies darauf, dass seine Regierung Snowden bereits vor Eingang des Antrags aus humanitären Gründen Asyl angeboten habe: "Wir haben diesem jungen Mann gesagt: 'Sie werden vom Imperialismus verfolgt, kommen Sie her.'" Auf die Frage, ob Snowden sich auch telefonisch bei ihm gemeldet habe, sagte Maduro: "Nein, bis jetzt nicht, das würde mir gefallen."

Auch die ebenfalls USA-kritischen Regierungen Boliviens und Nicaraguas haben sich bereiterklärt, Snowden aufzunehmen. Es ist aber unklar, wie er ohne gültige Ausweispapiere vom Moskauer Flughafen Scheremetjewo weiterreisen kann. Dort sitzt er seit seiner Flucht über Hongkong seit gut zwei Wochen fest.

Am Dienstag sorgte ein Tweet des russischen Abgeordneten Alexej Puschkow kurzfristig für Verwirrung. Demnach habe Snowden das Asylangebot Venezuelas angenommen. Doch nur wenig später war der Eintrag nicht mehr zu sehen, womöglich also gelöscht worden. Puschkow, der der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für internationale Beziehungen ist, war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. Ein Vertreter des russischen Außenministeriums lehnte einen Kommentar vorerst ab.

Per Haftbefehl gesucht

Der IT-Spezialist wird von den USA per Haftbefehl gesucht, weil er Dokumente über geheime Überwachungsprogramme des US-Geheimdienstes NSA an Medien weitergegeben hatte. Außerdem enthüllte er ein umfangreiches britisches Spähprogramm. Snowden bat mehr als 20 Länder um Asyl, darunter auch Österreich. Die meisten Staaten lehnten ab.

In Nicaragua stieß das Asylangebot von Staatschef Daniel Ortega auf den Widerstand der Wirtschaft. Venezuela und Bolivien könnten sich "diesen Luxus erlauben", weil ihre Wirtschaft nicht so stark von den USA abhänge, sagte der Chef des Obersten Rats der Privatunternehmen (COSEP), Jose Aguerri, einem Nachrichtenportal. Die Bedeutung der USA für die nicaraguanische Wirtschaft und soziale Entwicklung sei "enorm, wir reden hier von Exporten, ausländischen Investitionen, Hilfslieferungen".

Die Botschaft Nicaraguas in Moskau bestätigte am Montag ebenfalls den Eingang eines Asylantrags von Snowden. Es sei aber noch kein Kontakt zu ihm aufgenommen worden.

"Guardian" veröffentlicht zweites Snowden-Interview

Die britische Zeitung "Guardian" veröffentlichte am Montag ein weiteres Fragment ihrer Video-Interviews mit Snowden. Der rund sieben Minuten lange Clip enthält nach den Enthüllungen der vergangenen Wochen keine neuen Informationen, Snowden beschreibt aber ausführlicher seine Motivation.

"Ich will nicht in einer Welt leben, in der alles, was ich sage, alles was ich mache, der Name jedes Gesprächspartners, jeder Ausdruck von Kreativität, Liebe oder Freundschaft aufgezeichnet wird", sagt der inzwischen 30-jährige Ex-Geheimdienstler in dem Video. Jeder, der mit einer solchen Welt nicht einverstanden sei, habe die Pflicht, etwas zu tun. Als er vor rund zehn Jahren zum US-Militär stieß und beim Geheimdienst landete, habe er noch an "unsere noblen Absichten" geglaubt, sagte Snowden. "Ich habe gewartet und beobachtet, und versucht, meinen Job zu tun." Mit der Zeit sei ihm aber immer klarer geworden, dass niemand etwas unternehme, um die Auswüchse der Kontrolle durch die Regierung zu stoppen. Das Interview wurde bereits am 6. Juni in Hongkong aufgezeichnet.

Bolivien will Aufklärung

Bolivien verlangt von Frankreich, Spanien, Italien und Portugal unterdessen Auskunft darüber, warum sie in der vergangenen Woche Snowden an Bord der Maschine von Präsident Evo Morales vermuteten. Dazu seien die Botschafter der vier EU-Länder ins Außenministerium in La Paz zitiert worden, sagte Kommunikationsministerin Amanda Davila. Nach Angaben der bolivianischen Regierung musste Morales am Mittwoch auf seinem Heimflug von Moskau in Wien zwischenlanden, weil die vier Länder Überfluggenehmigungen verweigerten. Hintergrund soll ein Gerücht gewesen sein, wonach sich Snowden in Morales' Maschine befand.

"Wir verlangen von der Regierung Spaniens und von denen der anderen Länder schlicht und einfach eine Erklärung, woher die Version stammt, Herr Snowden halte sich an Bord der Präsidentenmaschine auf", sagte die Ministerin. "Wer hat diese Lüge verbreitet?" Ihre Regierung sei davon überzeugt, dass die USA gewusst hätten, dass Snowden nicht an Bord von Morales' Flugzeug gewesen sei. Die USA hätten Morales vielmehr einschüchtern wollen, da er Snowden Asyl angeboten habe. "Das ist der erste Fall von Staatsterrorismus gegen einen Präsidenten, gegen einen Staat, gegen ein Volk." (APA/Reuters, 9.7.2013)