Um fettreiche Nahrung verdauen zu können, wird viel Gallenflüssigkeit benötigt. Grundsätzlich braucht der postmoderne Mensch die Gallenblase aber nicht mehr.

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Das Faultier hat keine, die Giraffe hat keine, der Tapir auch nicht. Aber der Mensch hat sie bis heute: die Gallenblase. Sie speichert die von der Leber produzierte Galle, die für die Verdauung von Fetten im Darm benötigt wird.

Die Reservefunktion, die sie dabei innehat, ist ein Relikt aus früheren Zeiten: Nicht immer war die Jagd erfolgreich, und wenn sie es war, so aß der prähistorische Mensch eine größere Portion Fleisch auf einmal. Um diese ungewohnt fettreiche Nahrung verdauen zu können, benötigte er viel Gallenflüssigkeit auf einmal.

Heutzutage ist die regelmäßige Nahrung reichhaltig, es genügt daher der Gallenfluss direkt aus der Leber - die Gallenblase wird nicht mehr benötigt. "Manches am ursprünglichen Geflecht des Menschen hat sich im Nachhinein als entbehrlich erwiesen", sagt der Evolutionsbiologie Franz Wuketits. Weil aber der Mensch ein Flickwerk der Natur ist und Überflüssiges in der Entwicklungsgeschichte nicht so schnell wieder abgebaut wird, besitzt der Organismus bis heute eine Gallenblase.

Milz nicht irrelevant

So eindeutig es ist, dass die Gallenblase nicht mehr gebraucht wird, so sehr scheiden sich die Geister, wenn es um die Milz geht. In der späten Fetalentwicklung und bei Kindern bildet sie rote Blutkörperchen aus, später übernehmen Leber, Knochenmark und andere lymphatische Gewebe diese Aufgabe. Die Milz filtert außerdem veraltete Blutzellen aus dem Blutstrom und spielt eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr.

Die Milz ist zwar wichtig - lebensnotwendig ist sie aber nicht, jedenfalls nicht bei Erwachsenen. Wird sie einem Patienten chirurgisch entfernt, kann er zwar schlechter auf Impfstoffe reagieren und neigt eher dazu, sich mit bestimmten Bakterien und Parasiten zu infizieren, aber die grundlegenden Aufgaben der Milz werden von anderen Körperorganen übernommen.

Ihr Ruf, überflüssig zu sein, ist jedoch umstritten. Ein Forscherteam um Filip Swirski von der Harvard Medical School hat vor einigen Jahren festgestellt, dass die Milz eine Schlüsselrolle bei der Heilung von Herzerkrankungen spielen könnte. Als "verzichtbar, aber nicht irrelevant" beschreiben Ting Jiau und Eric Pamer vom Sloan-Kettering Institute in New York die Bedeutung der Milz in einem begleitenden Kommentar in "Science”.

Tabletten ersetzen Schilddrüse

Der Mensch überlebt nicht nur ohne Gallenblase und Milz, sondern auch ohne Schilddrüse. Schilddrüsenhormone sind wichtig für die Reifung des Gehirns und beeinflussen außerdem das Nervensystem und die Psyche. Neugeborene, die in seltenen Fällen ohne Schilddrüse auf die Welt kommen, sind schwach, müde, unterentwickelt und bewegen sich wenig. Sie müssen von klein auf Hormone schlucken, damit sie körperlich und geistig reifen können.

Eine medikamentöse Hormonbehandlung bei fehlender Schilddrüse ermöglicht aber ein Leben ohne weitere Beschwerden - sofern die Hormongaben richtig dosiert sind und regelmäßig verabreicht werden. (Sophie Niedenzu, derStandard.at, 11.7.2013)