Der Volvo Kombi ist seit Jahrzehnten das Dienstfahrzeug für sicherheitsbewusste Kreativarbeiter und Kulturschaffende. Vor 60 Jahren debütierte mit dem Duett der Ur-Vater aller Volvo Kombis. Geschichte einer Erfolgsidee

Zoomen wir in eine Zeit, in der es noch keine "Model-Extension-Manager" und hoch dotierten Meinungsforschungsinstitute gab, um die Bedürfnisse des Kunden zu sezieren. Gehen wir zurück ins Jahr 1952, genauer nach Schweden, und sehen wir Volvo-Chef Assar Gabrielsson beim Grübeln zu.

Tausend Chassis lagen in Göteborg auf Lager, allesamt vom Unterbau der erfolgreichen Limousine PV 444 abgeleitete und verstärkte Sonderkonstruktionen, die Volvo ab Ende der 1940er gefertigt hatte. Die Robust-Unterbauten mit den hinteren Blattfedern waren vor allem für Karosseure in den USA und Schweden gedacht, die den "Buckelvolvo" in Pick-ups und Transporter verwandelten. Doch Volvo hatte deutlich zu viele Sonder-Chassis gebaut - und Gabrielsson ein Problem. Der Patriarch, so geht die Legende, löste das Problem kurzerhand mit folgender Aussage: "Dann bauen wir eben selbst Lieferwagen." Mit weiteren Details hielt sich Gabrielsson nicht auf, er war ein Mann der Zahlen, der sich wenig um die Finessen des Automobilbaus kümmerte.

Der Job ging ausgerechnet an Erik Skoog, einen Ingenieur, der den Begriff "Auto-Design" bis dahin bestenfalls vom Hörensagen kannte. Der Schwede wurde initiativ und fertigte nicht nur ein Modell eines geschlossenen Kastenwagens, sondern auch das eines Kombis mit zwei hinteren Sitzreihen und üppigen Seitenfenstern. Der Entwurf entsprach und gefiel sogar so gut, dass die Chefetage den Praktiker kurz darauf offiziell debütieren ließ.


Für den Schmied von Welt mit dem gewissen Freizeitbedarf: Der Volvo PV 445 Duett.

Vor 60 Jahren, im Juni 1953, brachte Volvo seinen ersten Kombi moderner, also freizeit- und familienorientierter Prägung auf den Markt. Der Duett - der Name stand für die schöne Botschaft, zwei Autos in einem erwerben zu können - begründete die Ära der universellen, gut ausgestatteten, mit Sicherheitstechnik aufgeladenen Familientransporter. Vor allem aber sollte der Wagen für den schwedischen Hersteller nachgerade stilprägende Bedeutung erlangen. Volvo: Das war mit dem Duett und spätestens ab den 1970ern ein Synonym für Kombi. Schließlich verkauften sich die mobilen Ladezonen in den meisten europäischen Märkten stets besser als die entsprechenden Limousinen.

1953 waren die Schweden der Konkurrenz um Jahre voraus. Dort gab's in jenen Jahren nur biedere Ware für Handwerker und Greißler, der Part des repräsentativen Allrounders mit Crashtest-Kompetenz blieb bis weit in die 1970er den Volvo Kombis vorbehalten. Der Duett (beziehungsweise PV 445) war vom Start weg ein riesiger Erfolg, Käufer mussten Monate auf den Lademeister mit den Portaltüren warten.

Hartnäckiger Duett

Rasch hingegen baute man in Göteborg das Angebot aus: Den "Herrgårdsvagn", also den Kombi mit Fenstern, gab es als 5- und 7-Sitzer, daneben einen klassischen geschlossenen Kastenwagen (Skåpvagn). Den Freizeitaspekt betonte eine Camping-Version mit ausklappbarem Zeltdach und Leiter. Etwas US-Lifestyle verströmte indes die optionale Zweifarb-Lackierung. Das durchschlagende Grundkonzept des barocken Schweden trotzte sogar diversen Modellwechseln und hausinterner Konkurrenz.

Als der PV 444 ab 1958 mit dem PV 544 einen Nachfolger bekam und schließlich 1965 endgültig auslief, blieb der Duett als leicht modifizierter P210 im Programm. Selbst die 1962 lancierte Kombi-Version des Amazon konnte dem Unverwüstlichen nichts anhaben. Zu klein, zu unpraktisch erschien der Kundschaft die Ladezone des Alfa-Lookalikes.

Hochsicherheitstrakt für Kreative

Erst die Präsentation einer schwedischen Interpretation der Bauhaus-Architektur, die die Kombi-Idee in der Künstler- und Freigeist-Schickeria etablierte, beendete nach 16 Jahren Bauzeit im Jahr 1969 die Ära des Duett: der Volvo 145. (Die Typbezeichnung gehorchte in jenen Tagen folgender Nomenklatur: Serie 100 + 4 Zylinder + 5 Türen, also Kombi.) Der so Gerufene war fortan bevorzugtes Fortbewegungsmittel für Babyboomer, Bildhauer und Bio-Lehrer - wer in Europa auf distinguiertes Understatement setzte, kam an dem mobilisierten Hochsicherheitstrakt nicht vorbei. Aber auch in den USA - traditionell kein Kombi-Markt - kam der schlaue "Swedish Brick" prächtig an.

Zum Klassiker dieses Genres stieg schließlich ab 1974 der 245 auf. Der breitschultrige Mittelklasse-Lader war gewiss keine Grazie - selbst die offizielle Volvo-Historie weist den Wagen als eine Schöpfung aus, "die nie einen Schönheitspreis gewinnen würde" -, doch Design wollte die Kundschaft auch nicht. Sie suchte das, was man als Billyregal-Effekt bezeichnen könnte: einen schlichten Gegenstand, der das betont geschmackssichere Umfeld erst so richtig zum Strahlen brachte.

Referenzfahrzeug in den USA

Dieses Umfeld boten in diesem Fall Architekten, Professoren, Lehrer, Künstler und allerlei Edelfedern. Volvo steuerte einen nahezu unzerstörbaren Kasten bei, der in Sachen Sicherheitstechnik Maßstäbe setzte: Die Limousine war das Referenzfahrzeug der US-amerikanischen Verkehrssicherheitsbehörde, noch zwei Jahre vor dem Auslaufen der Serie kürten amerikanische Versicherer den 244 zum sichersten Fahrzeug am US-Markt. Das war immerhin 17 Jahre nach Produktionsstart, erst 1993 trat der Dino ab - da war sein potenzieller Nachfolger, der 1985 auflaufende 745, bereits seit einem Jahr Geschichte.

Die 700er-Serie bestand im Wesentlichen aus horizontalen und vertikalen Linien und verhalf Volvo in den USA und in Europa zu ansehnlichen Verkaufszahlen. Blöd nur, dass Schweden-Stahl und Elektrik in ihm nicht wirklich zusammenfanden. (Was zu einem Gutteil erklärt, warum sich der 245 so lange halten konnte). Bei den Motoren gab es unverwüstliche 4-Zylinder-Benziner der B23-Serie und einen rustikalen 6-Zylinder-Sauger-Diesel, der in den 1970ern im VW LT Transporter debütierte.

Der Ziegel sucht seinen Weg

Bereits 1990 bekam der "Swedish Brick" mit dem 940/960 Kombi einen Nachfolger. Limousine und Kombi wurden damals schon länger nicht mehr durch eine 4 oder 5 in der letzten Ziffer voneinander geschieden, die 960er, die im Prinzip aufgebrezelte 940er mit Multilink-Hinterachse waren, kamen ab 1996 mit einer neuen Typenbezeichnung auf den Markt: Der S90 (Sedan) verwies auf die Limousine, die V90-Reihe (Versatility) auf den Kombi.

Mit der Namensänderung vermochte Volvo jedoch nicht den Umstand zu kaschieren, dass man bei den großen Kombis im Vergleich zur Konkurrenz längst ins Hintertreffen geraten war. Mercedes, BMW und Audi hatten spätestens ab Mitte der 1990er deutlich bessere Ware im Angebot, bloß der eine halbe Etage unter dem 900er im Jahr 1993 lancierte 850 Estate vermochte hier wirksam dagegen zu halten. Dank Frontantrieb, aufwändiger Hinterachse, quer verbauten Fünfzylinder-Motoren und innovativen Sicherheitsfeatures markierte der 850 einen neuen Liga-Maßstab, die vertikal am Heck abfließenden Heckleuchten besorgten zudem ein solitäres Design-Statement, das auch der Nachfolger, der ab 1996 gebaute V70, aufgriff.

Licht und Schatten

Der setzte wie der 850 auf eine Allrad-Option, bei den Motorisierungen dominierten süffige Turbo-Benziner und ein bei Audi eingekaufter 2,5-Liter-TDI mit 140 PS. Als Cross Country (später XC70) stieg der Kombi in das Geschäft mit der geländebereiten Optik ein.

1996 brachte Volvo mit dem V40 einen Vertreter der unteren Mittelklasse an den Start. Die Basis für den Kombi gab eine gemeinsam mit Mitsubishi entwickelte Plattform, die bestenfalls Zeitgemäßes bot. Auch an die Dauerlauf-Qualitäten früherer Volvos vermochte der Halbjapaner nicht anzuschließen. Besser machte es der ab 2004 gebaute Kompakt-Kombi V50. Das Ford-Focus-Derivat gefiel sich in der Rolle des eng geschnittenen Lifestyle-Geräts, unschicke Begriffe wie Kofferraumvolumen und Beinfreiheit sollten das Konzept offenbar nicht belasten.

Mollige Gegenwart

Während die obere Mitteklasse der Schweden nach Auslaufen des V90 ohne Kombi auskommen musste, war der ab dem Jahr 2000 gebaute, völlig neue V70 ganz bei sich also Volvo. Schließlich zitierte der unter dem neuen Mehrheitseigner Ford entwickelte Wagen den legendären 245 und dessen ausgestellte Schultern. Das Interieur ließ zudem jene Sachlichkeit erahnen, die weiterentwickelt zu einem Markenzeichen der Schweden werden sollte. Ein anderes, das der rustikal vorgetragenen Kante nämlich, war bloß noch stilistische Andeutung.

Von der verabschiedete sich der 2007 präsentierte und jüngst facegeliftete Großkombi endgültig. Weichgezeichnet meidet er die Gerade, wo immer sie passieren könnte. Mit ihm schwelgt das gesamte Volvo-Angebot in mollig-opulenten Formen. "Swedish Brick" - das war einmal. Stattdessen grüßen stolz geblähte Rundungen. Wie einst beim legendären Duett von 1953.

Ansichtssache: Auswahl aus 60 Jahren Ladegut

Es war von Volvo damals, 1953, einigermaßen verwegen, einen Kombinationskraftwagen als Freizeitgefährt auszuloben. Mit dem PV445 Duett, der kraft Namen vorgab, zwei Fahrzeuge in einem zu sein, wurde das versucht. Zuvor musste jedoch ein braver Ingenieur in die Rolle des Autodesigners schlüpfen.

Foto: volvo

Gleichwohl blieb der Duett in der Kastenwagen-Version ein heißer Tipp für Handwerk und Kleingewerbe. Im Gegensatz zum Teilespender, dem PV 444, stand der Duett auf einem Leiterrahmen und die Hinterachse war blattgefedert. Ein unverwüstliches Angebot.

Foto: volvo

1962 ging mit der Kombi-Version des Amazon der programmierte Nachfolger des Duett an den Start. Doch die Nutzraum-Ausgabe des im italienischen Stil gezeichneten Erfolgstyps vermochte die Kundschaft nicht zu überzeugen.

Foto: volvo

Zu niedrige Dachlinie, insgesamt zu wenig Platz: Das ließ die Freunde des Hauses weiterhin zum praktischen Duett greifen. Selbst die raffinierte zweigeteilte Heckklappe des P220 konnte nicht überzeugen.

Foto: volvo

Mittlerweile war auch die europäische Konkurrenz aufgewacht: Seit 1958 trug etwa die DS von Citroën einen Rucksack, im selben Jahr erschien der Opel Rekord P1 Caravan, Ford kartete 1960 mit dem P3 Turnier nach. Und der Duett? Wurde bis 1969 gebaut und kam immerhin auf 101.000 Einheiten.

Foto: volvo

Der Nachfolger hieß schlicht 145 und debütierte im Jahr 1967. Der sachliche Schwede etablierte erstmals die schlichte Form und zeigte eine markant ausgestellte Schulterlinie. In Sachen Sicherheit setzten die Schweden mit der Serie neue Maßstäbe: Dreipunktgurte auf vier Sitzen, integrierter Überrollbügel, Seitenaufprallschutz, üppige Knautschzonen vorne und hinten zum Beispiel.

Foto: volvo

Das Sicherheits-Atout wurde in den USA ausgiebig beworben. Eher verschwiegen wurden das hohe Gewicht des Schweden und die soliden, aber nicht sonderlich prickelnden Motorisierungen.

Foto: volvo

Der Nachfolger namens 245 war keine völlige Neuentwicklung und griff auf viele Komponenten des 145 zurück. Eine Schönheit war der Skandinavier nicht, der Nimbus der Unzerstörbarkeit bescherte Limousine als auch Kombi den Rufnamen "Swedish Brick".

Foto: volvo

Der Laderaum darf als ausreichend bezeichnet werden, an unterschiedlichen Motorisierungen war ebenfalls kein Mangel. Je nach Exportland und steuerlichen Vorgaben wurden die Vierzylinder-Benziner adaptiert. 1979 jubelten die Schweden ihrem Bestseller einen 6-Zylinder-Dieselmotor von Volkswagen unter. Der temperamentbefreite Sauger machte den langlebigen Benzinern nicht wirklich Konkurrenz.

Foto: volvo

Ein 245 DL macht 1979 auf Landadel. Die Botschaft vom Luxusliner kam nicht von ungefähr. Ein Jahr zuvor hatte Mercedes den T-Modell-Kombi vom W 123 auf den Markt gebracht. Der Stuttgarter brachte Eleganz und einen schicken Fließheck-Abschluss in die gehobene Mittelklasse und gilt gemeinhin als Mitbegründer der Liga der Lifestyle-Kombis.

Foto: volvo

Dennoch entwickelte sich der 245, der ab 1982 240 gerufen wurde, zu einem Longseller. Finale Sonder-Editionen (Polar, Super Polar) trugen den markanten Schweden bis ins Jahr 1993. Dann zog Göteborg dem Dauerläufer endgültig den Stecker.

Foto: volvo

Da war der programmierte Nachfolger, der 740, bereits seit einem knappen Jahr eingestellt. Ab 1984 suchte der kantige, dennoch luftig-leicht daherkommende Transporter Familienanschluss. Auch er war quasi unkaputtbar, solange wir von Motor, Karosserie und Fahrwerk sprechen. Nicht so gut: die bestenfalls ausgestreute Elektrik, das knisterdünne Armaturenbrett und der Dachhimmel.

Foto: volvo

Heute ist der 740 ein gesuchter Klassiker, dessen Bestand von Bauherren und Nebenerwerbs-Rallye-Cracks (Hinterradantrieb!) erheblich dezimiert wurde.

Foto: volvo

Auf die 700er-Serie folgte die 900er-Reihe. Deren Top-Ableger, der 960, trat ab 1996 als V90 auf. Zwei Jahre später endete mit der Baureihe bei Volvo das Kapitel Heckantrieb.

Foto: volvo

Ab 1991 lief neben der 700er/900er-Serie der etwas kleinere Volvo 850 Kombi auf. Der markierte für die Schweden gleich in mehrfacher Hinsicht einen Neuanfang. Frontantrieb, aufwendige Deltalink-Hinterachse, optionaler Allradantrieb, neue Fünfzylinder-Benziner - mit dem Estate bot Volvo eine echte Alternative zu deutschen Premium-Herstellern. Unvergessen: der T5-R Turbo mit 241 PS.

Foto: volvo

Trotz eines überschaubaren Diesel-Angebots - der 140-PS-Turbodiesel von Audi blieb die einzige entsprechende Alternative - wurde der 850 Kombi vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz ein echter Erfolgstyp.

Foto: volvo

Im November 1997 schrieb der V70 die Story weiter. Der war im Wesentlichen ein gründlich renovierter 850. Der im Jahr 2000 präsentierte Nachfolger (Bild) war hingegen eine völlige Neuentwicklung. Die Schulterpartie verweist auf den Klassiker 245, zum Bestseller geriet die Sanftgelände-Ausführung mit Namen V70 XC Cross Country.

Foto: volvo

Bereits 1996 hatte Volvo mit dem V50 die Kombi-Idee auf die untere Mittelklasse ausgedehnt. Damals lieferte eine Kooperation mit Mitsubishi den technischen Unterbau, die Neuauflage (Bild) wurde gemeinsam mit Ford entwickelt. Die Plattform schmückte neben dem S40/V50 den Ford Focus sowie den Mazda3. Volvo kam 2004 mit dem V50 ein echter skandinavischer Beau aus. Der Nutzwert war indes mäßig.

Foto: volvo

Dem neuen V70 von 2007 wurden die letzten Kanten weggeschliffen, im Vergleich zu den aktuellen Crossover-Trends bei Volvo (V40, V60) wirkt der soeben aufgefrischte Riegel nachgerade konservativ. Und das ist im konkreten Fall kein Verdikt, sondern eine Verbeugung. (Stefan Schlögl, derStandard.at, 9.7.2013)

Foto: volvo