London - Die Jubelbekundungen von Tennis-Größen wie Boris Becker oder Steffi Graf wollten nicht abreißen, Basketball-Superstar Dirk Nowitzki schickte per Twitter Gratulationen. In Deutschland ist dank Sabine Lisicki vor dem Wimbledon-Finale am Samstag eine neue Tennis-Mania ausgebrochen.
"Bumm Bumm Bine", wie die 23-Jährige in Anlehnung an den dreifachen Wimbledonsieger Boris Becker genannt wird, hat als erste Deutsche seit Graf 1999 das Endspiel bei den All England Championships erreicht. "Es könnte kein besserer Ort sein, um mein erstes Grand-Slam-Finale zu spielen", sagte Lisicki. Graf war 1996 auch die letzte Deutsche, die in Wimbledon triumphiert hat. Da war Lisicki gerade neun Jahre alt. "Ich kann mich leider nicht daran erinnern", sagte die Berlinerin. Graf habe ihr schon vor dem Halbfinale per SMS Glück gewünscht und zu ihren Erfolgen gratuliert. "Ich kann es nicht abwarten, am Samstag zu spielen."
Lisicki-Mania
Der Erfolgslauf von Lisicki sorgte auch beim TV-Konzern Sky für Glückseligkeit. Der Bezahlsender nützt sein exklusives Ausstrahlungsrecht in Deutschland für eine Machtdemonstration. Die Anfrage der ARD, gegen Bezahlung das Finale im öffentlich-rechtlichen Sender übertragen zu können, wurde mit der Begründung "nicht ausreichend" abgewiesen. Lisickis Halbfinalsieg gegen Agnieszka Radwanska hatten 230.000 Zuseher verfolgt.
Während im ARD der Film "Da wo die Liebe spielt" mit Hansi Hinterseer läuft, müssen sich Tennisfans um einen Pay-TV-Zugang kümmern. Der Rat von Dirk Grosse, bei Sky Leiter der Sportkommunikation: "Wer Sky nicht abonniert hat, der kann in eine der vielen Sky-Sportsbars gehen, oder man klingelt nach langer Zeit mal wieder beim Nachbarn."
Mit Ecken und Kanten
Lisickis Gegnerin Marion Bartoli aus Frankreich wird da weit weniger Aufmerksamkeit zuteil. Das dürfte die 28-Jährige, die in der Weltrangliste als 15. um neun Plätze vor Lisicki liegt, in ihrer Vorbereitung auf das Match wenig stören. Außerdem kennt sie das Gefühl, am Centre Court in der Auslage zu stehen: 2007 verlor sie im Endspiel gegen die US-Amerikanerin Venus Williams. "Ich glaube an wahre Entschlossenheit und harte Arbeit", sagte Bartoli vor ihrem zweiten Grand-Slam-Finale. "Ich denke mir, dass das belohnt werden sollte. Offenbar ist das dieses Jahr so."
Bartoli, die Vor- und Rückhand beidhändig spielt und wie Lisicki mit ihren kräftigen Schlägen beeindruckt, ist eine Athletin mit Ecken und Kanten. Beharrlich hält sie an ihrem Ritual fest, das Gegnerinnen zuweilen zur Weißglut treibt - kurz vor dem Aufschlag tänzeln, den Ball drei- bis viermal aufpeppeln, dabei die Knie leicht beugen und eigentümlich mitwippen. "Ich habe ein paar alte Videobänder, als ich sechs oder sieben war, da habe ich das auch schon gemacht", sagte sie. Unorthodox sind auch ihre Trainingsmethoden, die sie in Wimbledon zeigte: Von einem knienden Betreuer ließ sie sich vor dem Halbfinale dutzende Bälle im Sekundentakt zuschupfen, die sie wie ein Baseballer mit voller Kraft über das Netz schoss.
Die Hobbymalerin, die auch der Mathematik frönt, gab zudem zu Protokoll, dass sie über einen IQ von 175 verfüge. Damit überflügelt sie Albert Einstein (165) oder Stephen Hawking (160). "Ich habe zu Schulzeiten einen Test gemacht. Aber ich bin eigentlich niemand, der angibt. Ich hoffe, auch einmal im Tennis so gut zu sein." (sid, krud, DER STANDARD, 06./07.Juli 2013)