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Historischer Händedruck: Ivica Dačić und Hashim Thaci in Göttweig.

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Dieser Barrikadenbauer würde straffrei ausgehen, wenn das Amnestiegesetz beschlossen würde

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Belgrad/Prishtina - Händeschütteln, Lob von allen Seiten, Kompromissbereitschaft: Das ist man schon gewohnt, wenn sich die Ministerpräsidenten Serbiens und des Kosovo, Ivica Dačić und Hashim Thaci, in Brüssel treffen. Der ehemalige Mediensprecher von Slobodan Milošević und der einstige Kommandant der Kosovo-Befreiungsarmee (UCK) haben bewiesen, dass sie miteinander können, immer das große Ziel vor Augen: die Mitgliedschaft in der Europäischen Union.

Im April haben sie ein "historisches" Abkommen über die Normalisierung der Beziehungen unterzeichnet, das Serbien spätestens im Jänner 2014 den Beginn der Beitrittsverhandlungen und dem Kosovo das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU ermöglichen sollte. Unter der Voraussetzung allerdings, dass es auch umgesetzt wird. Und damit haben jetzt beide Probleme, und zwar mit den eigenen Leuten.

"Vorübergehendes" Parlament in Zvečan

Die Serben im Nordkosovo wollen nämlich nicht mitmachen. Sie haben am Donnerstag in der kosovarischen Ortschaft Zvečan ein "vorübergehendes" Parlament konstituiert, das die von Belgrad übernommenen Verpflichtungen in der Normalisierung der Beziehungen mit dem Kosovo dezidiert ablehnt. "Wir können den Preis für die EU-Mitgliedschaft Serbiens nicht akzeptieren: den Verlust des eigenen Territoriums und die gewalttätige Integration der im Kosovo lebenden Serben in die Institutionen des Staates, den wir nicht anerkennen", erklärte der neu gewählte Präsident dieses Parlaments, Slavko Stevanović.

Das Parlament definierte sich als eine Institution der Bürger Serbiens in der "serbischen Provinz Kosovo", die einzig und allein die Verfassung und die Justiz Serbiens anerkennen und den Kosovo aufgrund der UN-Resolution 1244 als einen Bestandteil Serbiens betrachten. Der konstituierenden Sitzung wohnte kein einziger Vertreter der serbischen Regierung bei.

"Unsere Hauptstadt ist Belgrad"

Die Abgeordneten teilten mit, dass die Kosovo-Serben das "Brüsseler Abkommen" zwischen Belgrad und Prishtina nicht umsetzen und an kosovarischen Kommunalwahlen Anfang November unter gar keinen Umständen teilnehmen werden, denn "unsere Hauptstadt ist Belgrad, unsere Republik ist Serbien, wir wollen keinen anderen Staat, keine andere Staatsordnung oder Staatsbürgerschaft".

Dačić gab sich äußerst reserviert. Man habe seine Regierung nicht über die Gründung eines serbischen Parlaments im Nordkosovo informiert, sagte er. Außerdem sei so etwas gesetz- und verfassungswidrig. Andere meinen wieder, dass die Serben im Kosovo von "Existenzängsten" geplagt seien und man sie nicht zu hart anpacken dürfe.

Dačić ist sich des Problems sehr wohl bewusst: Seine Regierung hat alles auf die EU-Karte gesetzt, und wenn die Serben im Nordkosovo organisiert Widerstand leisten, wird es schwierig sein, das Abkommen mit Prishtina umzusetzen. Vor allem wäre die mit Prishtina verabredete Gründung eines Bundes serbischer Gemeinden im Kosovo gefährdet, wenn die Serben im Kosovo die von Prishtina ausgeschriebenen Kommunalwahlen boykottieren. In Kosovska Mitrovica, der serbischen Hochburg im Kosovo, hieße die Teilnahme an Kommunalwahlen eine direkte Anerkennung des Kosovo, der in der Verfassung Serbiens für immer und ewig als Bestandteil Serbiens definiert ist.

Kein Amnestiegesetz

Gleichzeitig, ebenfalls am Donnerstag, sah sich auch Thaci neuen Problemen gegenübergestellt. Das Parlament in Prishtina verabschiedete nicht das von der Regierung vorgelegte Amnestiegesetz. Dafür fehlte die notwendige Zweidrittelmehrheit.

Das kosovarische Amnestiegesetz ist Teil des zwischen Dačić und Thaci abgemachten Pakets: Es ist notwendig, damit die Serben im Kosovo furchtlos in die Institutionen des Kosovo integriert werden können, es befreit sie jeglicher rechtlicher Verantwortung etwa für die Errichtung von Barrikaden und die Teilnahme an - manchmal auch gewalttätigen - Demonstrationen gegen die Unabhängigkeit des Kosovo, oder weil sei dem Staat, den sie nicht anerkennen, bisher keine Steuer bezahlt haben. Den Serben im Kosovo sollte das Gesetz ermöglichen, auch in der kosovarischen Polizei und dem Rechtswesen arbeiten zu können. Für Kriegsverbrechen, Mord oder Anschläge auf internationale Sicherheitskräfte ist keine Amnestie vorgesehen. Das Amnestiegesetz sollte ein "Versöhnungsakt" sein.

Ohne das Amnestiegesetz im Kosovo könne das Brüsseler Abkommen nicht implementiert werden, verkündete das Justizministerium in Belgrad. Es sei eine Voraussetzung für die Integration der Serben in die Institutionen des Kosovo. Das Gleiche gilt allerdings auch für die Teilnahme der Serben an kosovarischen Kommunalwahlen. Es reicht nicht, dass Dačić und Thaci gelernt haben, miteinander auszukommen und Kompromisse zu schließen. Jetzt müssen sie auch die anderen überzeugen. (Andrej Ivanji, derStandard.at, 5.7.2013)