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Alessandro De Marchi (Intendant der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik) humorig über seine Künstlerauswahl: "Ich habe einige meiner besten Konkurrenten verpflichtet!"

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DER STANDARD: Das Motto der diesjährigen Innsbrucker Festwochen der Alten Musik lautet "Aufbruch". Sie erinnern damit auch an die Ambraser Schlosskonzerte, die vor 50 Jahren zum ersten Mal veranstaltet wurden und quasi die Keimzelle der Festwochen darstellten.

De Marchi: So ist es. Es war Pionierarbeit, die Otto Ulf hier geleistet hat. Diese Konzertreihe war damals eine Revolution: Alte Musik auf barocken Instrumenten zu spielen. Die Programmierung war allerdings weniger puristisch als heute, es wurde auch immer wieder zeitgenössische Musik gespielt. Nach 50 Jahren nehmen wir diesen Gedanken wieder auf, denn sehr viele Künstler der Alten Musik engagieren sich auch in Projekten, die sich mit orientalischer Musik, mit Jazz, mit Popmusik befassen. Im Open-Mind-Konzert Addio wird Donna Leon neue Geschichten lesen, die sie über Abschiede geschrieben hat. Und der Rias Kammerchor singt in einem Konzert in der Stiftskirche Stams unter anderem Vokalwerke von Olivier Messiaen, Giacinto Scelsi und Wolfgang Rihm.

DER STANDARD: Das Filetstück der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik ist immer die große Opernproduktion im Tiroler Landestheater. Hier hat es überrascht, dass Sie nach einigen Raritäten der Barockoper in diesem Jahr Mozarts "La clemenza di Tito" zeigen - allerdings in einer ungewöhnlichen Fassung.

De Marchi: Und das ist genau das Interessante daran. Das Pasticcio war im 18. und 19. Jahrhundert die meistgespielte Opernform. Es war völlig normal, dass Komponisten für Wiederaufnahmen neue Arien komponierten oder welche von anderen Komponisten einfügten.

Die Kastraten hatten oft ihre eigenen "arie di baule", zu Deutsch: Kofferarien, die sie einfach in jede Oper, in der sie sangen, einfügten. Mozarts La clemenza di Tito war nach seinem Tod die berühmteste, meistgespielte seiner Opern und wurde in Paris, an der Mailänder Scala, in Hamburg, in Dresden gespielt - aber nicht in der Fassung der Prager Uraufführung!

DER STANDARD: Sondern in jener Fassung, die Sie zeigen: Joseph Weigl hat sie 1804 für den Wiener Hof geschaffen und hat einige Arien durch eigene sowie durch eine von Johann Simon Mayr ersetzt.

De Marchi: Und welche? Jene des Tito. Mozart hat diese Oper in moderner Art komponiert, die Arien des Tito hat er aber im Opera-seria-Stil gehalten. Und das hat das Publikum damals schnell als altmodisch und verstaubt empfunden. Weigl, der viel mit Mozart zusammengearbeitet hat, ist bei seinen Kompositionen geschickt vorgegangen und hat thematisches Material aus der Oper in seine Arien eingearbeitet, sodass es keine Brüche, keine merkbaren Übergänge zwischen dem Material gibt.

DER STANDARD: Die von Franz Xaver Süßmayr komponierten Secco-Rezitative behalten Sie bei?

De Marchi: Ja, wobei wir hier eine interessante Sache machen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die Rezitative im Orchester kaum mehr von Tasteninstrumenten begleitet, sondern von den tiefen Streichern. So machen wir es auch: Der Kontrabass spielt die Grundtöne, das Cello die harmonische Füllung.

DER STANDARD: Das zweite Opernwerk, das Sie zeigen, führt zurück zum Aufbruch einer neuen Zeit, zum Beginn der Oper.

De Marchi: Caccinis L'Euridice ist wirklich ein superinteressantes Werk. Es zeigt einen Wendepunkt: Es ist nicht mehr Renaissancemusik, aber es ist auch noch nicht barock.

DER STANDARD: Es wird sehr viel erzählt. Regisseur Hinrich Horstkotte sieht in dem Werk "noch nicht wirklich eine Oper", Dirigent Alessandrini bezeichnet es als "opernhaft".

De Marchi: Horstkotte hat eine tolle Idee entwickelt, um die Atmosphäre, die Magie zu transportieren: Er wird mit Schattenbildern, inspiriert vom Elisabethanischen Theater, arbeiten.

DER STANDARD: Des Weiteren findet natürlich wieder der Cesti-Gesangswettbewerb statt, mit Nachwuchssängern werden heuer zwei Masques von John Blow und Henry Purcell erarbeitet. Höhepunkte bei den Konzerten?

De Marchi (lacht): Ich habe einige meiner besten Konkurrenten aus Italien verplichtet! Giovanni Antonini wird mit Il Giardino Armonico kommen, Rinaldo Alessandrini mit dem Concerto Italiano, Fabio Biondi mit Europa Galante, Riccardo Minasi mit Il Pomo d'oro ... Vater und Sohn Prégardien singen Lieder von Mozart, Beethoven, Schubert.

Und darf ich auch etwas von mir erzählen? In der Stiftskirche Wilten werde ich zusammen mit der Academia Montis Regalis Instrumentalmusik von Corelli in der Art präsentieren, in der sie vor 300 Jahren gespielt wurde: im Rahmen einer römischen Liturgie. Die Sakralmusik Corellis ist ein Schatz, wie man ihn sich nicht schöner vorstellen kann. (DER STANDARD, 6.7.2013)