Ich mache eine Rolle rückwärts auf einem roten Teppichläufer auf dem Boden, und der sehr junge Mann neben mir ruft begeistert: noch einmal! Ich mache noch zwei. Dann ist mir sehr, sehr schwindlig. Trotzdem fühle ich mich gut. Ich bin wieder jünger. Ich bin wieder gefragt. Draußen auf der Straße greift eine sehr kleine, wohltemperierte Hand ganz automatisch nach der meinen, denn abgesehen von ein paar akrobatischen Einlagen konnte ich mit einem kleinen Werkzeugkoffer ein ganzes Herz erobern.

Der Bohrer wird hernach nicht mehr aus der Hand gegeben, auch nicht, als es am Ende des Tages für dessen Träger wieder in Richtung Bahnhof und zurück nach Hause geht. Der kleine Onkel, wie wir ihn nennen, war in der Stadt. Wir nennen ihn so, weil der Kleine tatsächlich schon Onkel ist, nämlich der meines großen Kindes. Wer mitdenkt, der ahnt jetzt, dass ich die halbe Schwester eben jenes kleinen Onkels bin. Uns verbindet zwar ein gemeinsamer Vater, dennoch trennen uns knappe vierzig Jahre. Sie werden verstehen, dass ich kaum etwas unversucht gelassen habe, um, sagen wir, einigermaßen jünger rüberzukommen. (Wie das in zwanzig Jahren ausschauen wird? Dieses Gedankenexperiment lassen wir jetzt besser!)

Es war ein sehr schöner Geschwistertag. Wir haben Müllautos dabei zugeschaut, wie sie durch große Pfützen fahren, Kirschkerne weit- und wettgespuckt, eine Pizza geteilt, Weißbrot in Olivenöl getunkt und sehr vieles mit sehr großem Ernst (und sehr gutem Werkzeug) repariert. Und als zum Schluss seine Mama gesagt hat: "Na, gibt es zum Abschied ein Bussi?", da hat der kleine Onkel mir mit echter und ganz ungespielter Freude ein ganz dickes auf die Wange geschnalzt. Noch einmal!, wollte ich schon rufen. Aber Vorsicht, dachte ich, das wiederum würden ja nur alte Tanten machen. Ich bin die große Schwester. (Mia Eidlhuber, derStandard.at, 7.7.2013)