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"Smile and wave" - das holländische Königspaar versuchte bei der Gedenkfeier zum Ende der Sklaverei nicht zu sehr aufzufallen. Angst vor Entschädigungsforderungen könnte einer der Gründe sein.

Foto: EPA/ROBIN UTRECHT

Wien/Amsterdam - Während der gesamten Zeremonie feierten die Sklavennachfahren aus den ehemaligen Kolonien mit Trommeln und in traditionellen Gewändern - auf den ersten Blick ein ausgelassenes Fest. Es sollte zeigen, wie offen die Niederlande mit ihrer Vergangenheit umgehen können.

Amsterdams Bürgermeister Eberhard van der Laan sprach sein tiefes Bedauern für "dieses dunkle Kapitel in der niederländischen Geschichte" aus. Selbst der neue niederländische König Willem-Alexander und seine Frau Máxima waren in den Amsterdamer Oosterpark gekommen, um die Abschaffung der Sklaverei vor 150 Jahren zu feiern. Doch es blieb bei einer zaghaften Symbolik: Das Königspaar lächelte viel, klatschte und wippte demonstrativ zum "Redemption Song" von Bob Marley. Das war's auch schon.

"Ich habe gemerkt, wie genau die Sprecher auf ihre Worte geachtet haben, um ja nicht zu viel zuzugeben. Sie haben Angst, dass die Nachfahren der Sklaven Entschädigungen verlangen würden", sagt Glenn Helberg, Vorsitzender der Vereinigung karibischer Niederländer.

Zwar sei ein Kranz niedergelegt worden, aber nicht vom König. "Das könnte als Schuldeingeständnis von oberster Stelle gedeutet werden", meint Helberg. Stattdessen sagte Willem-Alexander: gar nichts. Das zurückhaltende Verhalten der holländischen Offiziellen zeige, wie schwer sich die Gesellschaft mit der Aufarbeitung tue, sagt Helberg.

2002 wurde das "nationale Denkmal niederländischer Sklavenvergangenheit" im Amsterdamer Oosterpark eingeweiht, kurz darauf folgte die Eröffnung des Instituts über niederländische Sklavereigeschichte. Doch diese Ansätze drohen nun wieder zu verschwinden.

"Es geht um Verantwortung"

Nach nur zehn Jahren zogen die Niederlande ihre finanzielle Unterstützung für das Institut zurück. Im letzten Moment sprang die Stadt Amsterdam ein, um es zu erhalten.

Helbergs Organisation, die sich für rund 130.000 Menschen aus den ehemals niederländischen Antillen einsetzt, erhält seit längerer Zeit keine Mittel mehr: "Es geht nicht nur darum, sich zu entschuldigen", sagt er, "es geht darum, Verantwortung zu übernehmen, damit die Vergangenheit nicht vergessen wird."

Nicole Immler, Historikerin für Erinnerungskultur der österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien weiß, wie wichtig und wertvoll die öffentliche Aufarbeitung für Betroffene ist. Auch wenn die eigentlichen Taten fünf oder sechs Generationen zurückliegen, würden sie für die Nachkommen eine große Rolle spielen.

Es gehe dabei nicht nur um vergangenes Unrecht, sagt sie: "Wenn Menschen das Gefühl haben, ihre Geschichte sei in der Gesellschaft nicht anerkannt, kommt dieses Unrechtsgefühl erneut auf." Bei Gesprächen mit Niederländern aus den ehemaligen Kolonien sei ihr dieses Argument immer wieder begegnet: "Einer sagte mal zu mir: Ich will genauso über meinen Ururgroßvater erzählen können, wie die jüdische Bevölkerung in Österreich über ihre Vorfahren erzählen kann." (Michel Mehle, DER STANDARD, 4.7.2013)